U+C Abmahnwelle: Auskunftsansprüche vermutlich zu Unrecht ergangen

Besucher des Streaming-Portals RedTube werden derzeit massenhaft abgemahnt. Allerdings ergehen diese Abmahnungen auf zweifelhafter rechtlicher Grundlage.

Bereits am Wochenende hatten wir über die große Abmahnwelle berichtet, die derzeit deutsche Internetnutzer wegen des Anschauen von Filmen auf der Streaming Plattform überrollt. Über 1000 Betroffene haben seitdem schon in unserer Kanzlei angerufen. Wir gehen davon aus, dass mindestens 20.000 bis 30.000 Nuzter abgemahnt worden sind. Nahezu das gesamte Internet rätselt derzeit, wie die Rechteinhaber und ihre Anwälte an die IP-Adressen der Nutzer gekommen sind. Ein uns vorliegende Auskunftsbeschluss des Landgerichts Köln trägt möglicherweise zur Aufklärung bei: Aus dem Beschluss ergibt sich zunächst einmal, dass nicht die Regensburger Rechtsanwälte U +C Auskunft über die Adressen der Nutzer verlangt haben sondern der Berliner Rechtsanwalt Daniel Sebastian, der allerdings im Rahmen der Filesharing Abmahnungen ebenfalls schon öfter in Erscheinung getreten ist. Auch Rechtsanwalt Daniel Sebastian vertritt offenbar die Schweizer Rechteinhaber The Archive AG. Der Auskunftsantrag, der uns vorliegt, ähnelt einem Auskunftsantrag in den tausenden Tauschbörsenverfahren. Dort heißt es, man nutze eine Software, namens GLADII 1.1.3. der Firma itGuards Inc., die in der Lage sei Downloadportale zu überwachen. Konkret heißt es dort:

Mit dem Einsatz der Software ist es möglich, die Teilnahme von Nutzern so genannter Download Portale für Filme im Internet zu erfassen, soweit solche Portale ohne Zustimmung der Rechteinhaber geschützte Filmdateien zum Herunterladen anbieten und damit Rechte der Filmhersteller bzw. deren Lizenznehmer verletzen. Protokolliert wird dabei die IP-Adresse, von welcher der Download auf dem Portal durchgeführt wird, sowie der Zeitpunkt, ab dem die Datei abgerufen wird.

Die Vorgehensweise der Software beruht auf üblichen und gebräuchlichen Internet-Technologien, die von der Kanzlei Diehl und Partner in dem Gutachten vom 22. März 2013 untersucht und die Funktionsfähigkeit und Richtigkeit der Erfassung bestätigt wurden. Die Erfassungsgenauigkeit ist unabhängig von der Verwendung des vom Nutzer eingesetzten Internet Browsers.

Weiterhin wird dort beschrieben, dass Nutzer über die IP-Adresse zusammen mit dem Zeitstempel identifiziert werden können. An Eides Statt wird dann von einem IT-Spezialisten versichert, dass die Software reibungslos funktioniert. Beigefügt sind Screenshots des Filmcovers sowie eine Liste von hunderten IP-Adressen. In dem Antrag wird weder die konkrete Plattform, noch die Funktionsweise der Software, noch die Tatsache genannt, dass es sich hier nicht um ein Download Portal sondern ein Streaming Portal handelte. Daraufhin wurde dann ein Beschluss vom Landgericht Köln erlassen, wonach dem Rechteinhaber The Archive AG Auskunft gestartet wird (gegenüber der Deutschen Telekom) bezüglich der beigefügten IP-Adressen. Interessant ist allerdings, dass in dem Beschluss davon ausgegangen wird, dass die Betroffenen nicht eine Streaming Plattform, sondern eine Tauschbörse benutzt haben. Konkret heißt es dazu

Die Antragstellerseite ist aktivlegitimiert, weil sie Inhaberin des Urheberrechts […] an dem Werk bzw. an den Werken

Amanda’s Secret

ist.

Durch das unbefugte öffentliche Zugänglichmachen des geschützten Werkes zu den aus der Anlage ersichtlichen Zeitpunkten über eine so genannte Tauschbörse liegt zudem eine Rechtsverletzung im Sinne von § 19a Urheberrechtsgesetz vor.

Wie wir also schon am Freitag vermutet haben, war dem Gericht offenbar überhaupt nicht klar, in welchem Zusammenhang die Auskunftsansprüche standen. Offenbar gingen die drei Kölner Richter, die diesen Beschluss unterzeichnet haben, davon aus, dass es sich hier (wie in der Vergangenheit so häufig) auch wieder um einen Auskunftsanspruch im Rahmen einer Tauschbörsennutzung handelte. Liest man die Anträge allerdings genau, hätten die Richter erkennen können, dass es hier nicht um Tauschbörsen sondern um Download Portale ging. Und auch das ist bei einem Streaming Portal nicht ganz korrekt. Fakt ist jedenfalls, dass die Auskunftsbeschlüsse aufgrund eines falschen Sachverhalts erlassen worden sind. Den Richtern es in jedem Fall vorzuwerfen, dass aus den Beschlüssen die Ermittlungsweise nicht ersichtlich ist. Eine Software, die von außen beliebige Download Portale oder Streaming Portal überwachen kann, ist nicht vorstellbar. Da hilft es auch nicht, dass ein Sachverständiger versichert hat, dass die Software immer korrekt funktioniert. An dieser Stelle hätten die Richter stutzig werden müssen. Hinzu kommt natürlich der eklatante Fehler, dass sich die Richter mit den Sachverhalt offenbar gar nicht auseinandergesetzt haben und den Standardbeschluss bezüglich einer Tauschbörsenauskunft erlassen haben. Gegenüber den Medien wollte sich der Sachverständige übrigens heute nicht zur genauen Funktionsweise der Software äußern. Denkbar wäre allenfalls, dass auf den betroffenen Portalen gezielt Werbung geschaltet worden ist und dann der Aufruf dieser Werbung (und damit auch der Aufruf der Webseite) von der Software überwacht worden ist. Da in diesen Verfahren dutzende ähnliche Beschlüsse gefasst worden sind, haben wir in einigen der von uns betreuten Verfahren heute weitere Akten angefordert, um auch hier zu schauen, ob die Beschlüsse fälschlicherweise ergangen sind. Am Landgericht sagte man uns dazu, dass das Interesse an diesen Beschlüssen derzeit sehr hoch sei, die Auskunft allerdings noch dauere, da die Akten (die aus August sind) sich bereits im Keller befänden Fakt ist jedenfalls, dass auch in den anderen Verfahren, die uns vorliegen, offenbar der Auskunftsanspruch von Rechtsanwalt Daniel Sebastian für The Archive AG eingereicht worden ist. Damit lässt sich feststellen, dass die Beschlüsse schlichtweg falsch sind und eine Auskunft nie hätte erteilt werden dürfen. Wäre den Richter am Landgericht Köln der komplette Sachverhalt bekannt gewesen, hätten sie erkannt, dass eine Urheberrechtsverletzung nicht gegeben ist und daher wäre keine Auskunft erteilt worden. Für die Nutzer ist dies jedoch nur ein Pyrrhussieg. Denn selbst eine rechtlich nicht einwandfrei erlangte Auskunft kann vor Gericht verwendet werden. Für die Zukunft wird das allerdings bedeuten, dass dieser Abmahn- Maschinerie ein Riegel vorgeschoben wird. Dann können alle Streaming Nutzer wieder aufatmen und nur die Tauschbörsennutzer müssen weiterhin mit Abmahnungen rechnen…..

Redaktion

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  • Wann wird endlich diesen Abmahnkanzleien das Handwerk gelegt.
    Jeder Betroffene sollte sofort Strananzeige stellen.
    Ob's was bringt, weiss ich nicht. Aber so kann es nicht weitergehen.
    M

    • In diesem Rechtssystem ist heute alles möglich.
      Polizisten können Hand in Hand mit Staatsanwälten lügen und falschbeschuldigen, Richter können Unschuldige jahrelang in den Knast oder in die Psychiatrie schicken, oder schlampige Fehlurteile fällen. Es gibt in diesem Staate keine Kontrollinstanz, die dieser Willkür gegensteuert oder ganz einfach beendet. Kein Wunder, daß solche Abmahnkanzleien so agieren können. Wir sollten mal begreifen, daß sich die Bundesrepublik Deutschland auf bestem Wege in eine Bananenrepublik befindet mit einer Verselbstständigung eines Rechtssystemes, das man wohl bald nur noch mit einem wildwuchernden Krebsgeschwür zu vergleichen vermag.

  • Solche Anwälte sind schlicht Kriminelle und gehören selber vor den Richter...
    Und die Politik tut weiterhin nichts gegen den Urheberrechtswahn!

  • Ich verstehe nicht, wie es immer wieder möglich ist, dass Richter über Dinge urteilen, wovon überhaupt keine Ahnung haben oder sich in den Sachverhalt überhaupt nicht eingearbeitet haben. Hier sollte dringend etwas geändert werden. Ich finde, dass nur der Jenige urteilen sollte, der auch fachlich begreift, worüber er urteilt oder spricht

  • Ich kann beim besten Willen nicht verstehen, dass es hierfür eine Rechtsgrundlage gibt.
    Warum darf ein Anwalt Abmahnungen verschicken, ohne von einem Betroffenen einen Auftrag dafür bekommen zu haben? (Oder habe ich da etwas missverstanden)? Damit kann sich jeder Anwalt auf unanständige Art bereichern, ohne eine echte Leistung dafür zu erbringen. Das ist in meinen Augen widerlich und verachtenswert.
    Außerdem: Wie soll ein Internetnutzer (in diesem konkreten Fall) wissen, dass genau dieses Angebot nicht genutzt werden darf? Das ist de facto nicht möglich!
    Wenn sich jemand illegal Musik oder Filme aus dem Internet lädt, dann könnte ich Vieles noch verstehen. Aber selbst dann haben meines Erachtens nur die Geschädigten ein recht auf Abmahnung - aber nicht irgendein Anwalt, er mit der ganzen Sache überhaupt nichts zu tun hat.
    Ich hoffe sehr, dass es schon in sehr naher Zukunft ein klares Urteil geben wird, dass diese Vorgehensweise bei Abmahnungen keine Rechtsgrundlage hat.

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