Outsourcing: “Man wird nicht reich, indem man arm bleibt”

Exigen Services hat derzeit etwa 1700 Mitarbeiter. Gegründet wurde das Unternehmen 1992 in Russland, heute ist der Hauptgeschäftssitz in San Francisco. Im März eröffnete der IT-Dienstleister eine Niederlassung in Frankfurt am Main, von der aus Armin Roth den Vertrieb in Westeuropa leitet.

silicon.de: Exigen Services ist einer der drei größten russischen IT-Dienstleister. Mitbewerber wie EPAM Systems sind schon seit zwei Jahren in Deutschland mit einem Vertriebsbüro präsent. Warum kommen Sie erst jetzt?

Armin Roth: Wir sind schon seit etwa acht Jahren in Deutschland, Österreich und der Schweiz aktiv, gerade in unseren Kernbranchen Telekommunikation, Media und Financials. Zu unseren Kunden gehören unter anderem eine große deutsche Bank und ein großes deutsches TK-Unternehmen. Der westeuropäische Markt wird für uns immer interessanter – daher haben wir uns entschlossen, lokal präsenter zu sein.

silicon.de: Warum ist Westeuropa denn so interessant für Sie?

Armin Roth: Die Hälfte unserer Umsätze stammt bereits jetzt aus kontinentaleuropäischen Ländern. Der Rest vor allem aus den USA, Großbritannien und aus Australien. Wir kommen zudem aus der Forschung und Entwicklung, viele Mitarbeiter sind naturwissenschaftlich ausgebildet – daher sind die hochwertigen Aufträge aus Westeuropa für uns sehr interessant. In Osteuropa hat die naturwissenschaftliche Bildung einen sehr hohen Stellenwert – Sankt Petersburg ist etwa eine Hochburg der Ingenieurswissenschaften.

silicon.de: Eugene Kaspersky hat gegenüber silicon.de gesagt, russische Entwickler seien vor allem darin stark, komplexe Aufgaben zu lösen, Inder übernähmen eher einfache Aufgaben…

Armin Roth: Viele unserer Mitarbeiter in Sankt Petersburg oder Riga machen ihre Arbeit mit echter Begeisterung und suchen geradezu nach Aufgaben mit hohen Anforderungen. Sie lösen Probleme, die man genau so gut in Frankreich, in der Schweiz oder in Deutschland lösen könnte. Allerdings sind die Arbeitskosten in Russland natürlich viel günstiger.

Der indische Outsourcing-Markt wächst derzeit rasant. Man wird aber nicht reich, indem man arm bleibt. Das heißt, die indischen Programmierer klettern jetzt auf der Einkommensleiter nach oben. Irgendwann kommt der Punkt, an dem sich das Outsourcing einfacher Aufgaben nach Indien nicht mehr lohnt. Man kann nur hoffen, dass die Inder bis dahin andere Arten der Wertschöpfung entdeckt haben.

silicon.de: Wie viel verdient ein russischer Entwickler denn im Vergleich zu einem indischen IT-Spezialisten?

Armin Roth: Ein Inder bekommt im Gesamtdurchschnitt der Wirtschaft meines Wissens etwa ein Fünftel bis ein Viertel dessen, was ein US-Bürger verdient. In der IT-Industrie können Gehälter deutlich höher liegen als im Bevölkerungsdurchschnitt. Wir liegen etwas darüber. Ich würde das aber nicht so direkt vergleichen, weil es sich um verschiedene Marktsegmente handelt.

silicon.de: Wie geht es mit Exigen Services weiter – was ist Ihre Strategie?

Armin Roth: Wir bieten weiterhin Preisvorteile an. Zudem setzen wir auf unser Branchen-Know-how. Wenn man einen Auftrag für ein TK-Unternehmen oder eine Bank übernehmen will, braucht man erhebliche Branchenkenntnisse – hier haben wir große Erfahrungen und werden künftig noch mehr Paketlösungen auf den Markt bringen. Außerdem bieten wir branchenübergreifende Standardofferten, zum Beispiel im Bereich Sicherheit – so etwa Audits zum neuen PCI-DSS-Sicherheitsstandard.

Wenn man sich das Application Development Sourcing der vergangenen Jahre anschaut, stellt man zudem fest, dass viele Projekte aufgrund der falschen Methodologie gescheitert sind. Jemand hat einmal gesagt, das typische SAP-Projekt habe eine Halbwertzeit von drei CIOs. Wir setzen die Agile-Methode der Software-Entwicklung dagegen und haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Agile ist quasi unsere Firmenphilosophie. Meines Wissens sind wir der einzige Anbieter, der Agile-Entwicklung auch als Festpreis-Projekt anbietet.

Silicon-Redaktion

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