Onlineshops fürchten Existenz-Aus wegen neuem EU-Recht

Sollten die Pläne der EU in die Realität umgesetzt werden, so gilt in Zukunft bei Verträgen, die über das Telefon, Fax oder das Internet abgeschlossen werden, das Recht desjenigen Landes, aus dem der Kunde kommt. Bislang galt in der Regel der Gerichtsstand des Firmensitzes, nach dem Gesetzentwurf würde das ‘Verbraucherlandprinzip’ etabliert werden.

Die derzeitige Regelung hat nach Meinung von Verbraucherschutz- und Wirtschaftsverbänden auch ihren berechtigten Grund. Der Online-Handel habe vor allem den Vorteil, dass Firmen ihre Produkte einer viel breiteren Masse als früher zur Verfügung stellen könnten. Das bedeute, auch an ausländische Kunden. Wäre ein Unternehmen jetzt gezwungen, auf die Rechtslage eines jeden Landes einzugehen, müsste es jede Norm in allen Staaten der Welt analysieren und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, in denen normalerweise der Gerichtsstand bestimmt wird, entsprechend formulieren.

Der Aufwand und die damit verbundenen Kosten seien so hoch, dass vor allem kleinere Betriebe mit einem Online-Auftritt das nicht mehr stemmen könnten, befürchten Juristen und Branchenkenner gleichermaßen. Denn nun müssten sie sich mit der Rechtslage in Deutschland ebenso beschäftigen wie mit der in den USA, China oder einem arabischen Staat. Das sei absurd.

“Die neue Regulierung gefährdet den grenzüberschreitenden Onlinehandel”, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Martin Wansleben, dem Handelsblatt. Vorstellbar wäre, dass Onlinehändler bestimmte ausländische Kunden lieber ablehnen als ihnen etwas zu verkaufen. “Dies widerspricht der Idee des europäischen Binnenmarktes”, betonte Wansleben.

Auch der Branchenverband Bitkom steht den EU-Plänen kritisch gegenüber. Wenn zu erwarten sei, dass die Zahl der Kunden etwa in Luxemburg oder Portugal den neuen Rechtsaufwand nicht tragen, würden ganze Staaten vom Wettbewerb ausgeschlossen, skizzierte er die Zukunft.

Der europäische Rat der Justizminister hingegen sieht die Gesetzesvorlage positiv, auch im Bundesjustizministerium stellt man sich ganz auf die Seite der Verbraucher. “Würde man immer das Recht am Sitz des Unternehmens anwenden, hätte dies zur Folge, dass sich der Verbraucher auf eine Vielzahl von Rechtsordnungen einstellen müsste”, schreibt das Ministerium dem Blatt. Die Rechtssicherheit des Verbrauchers stehe auf jeden Fall im Vordergrund, kommentierte auch die Bundeszentrale für Verbraucherschutz. Lieber sollten sich die Firmen der internationalen Rechtsslage anpassen.

Die Befürworter des Verbraucherlandprinzips malen die Zukunft auch deshalb nicht so schwarz, da die Gesetze nur dann griffen, wenn ein Unternehmen sein Geschäft auch wirklich auf die Kunden im Ausland ausrichte. Eben an dieser Formulierung stoßen sich die Kritiker, denn beim Internethandel sei gerade das weltweite Angebot die eigentliche Geschäftsidee.

Im April werden die Pläne der EU erstmals im Rechtsausschuss des EU-Parlaments diskutiert. Noch in diesem Sommer könnten sie verabschiedet werden.

Silicon-Redaktion

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