Freilich sind auch der Doppik Grenzen gesetzt. Ähnlich wie bei Unternehmen, die beispielsweise nach HGB bilanzieren, gibt es hinreichende Wahlmöglichkeiten und Spielräume, den Wert des Vermögens einer Kommune zu bestimmen. Zumeist fehlen Marktpreise als Bewertungsgrundlage. Bei kommunalen Grundstücken und Gebäuden ist dies noch weniger problematisch als beispielsweise beim kommunalen Straßennetz, dessen Wert in vielen Gemeinden durch Vergleichsverfahren geschätzt werden muss (zum Beispiel durch den Wert der angrenzenden Grundstücke). Spätestens bei Kulturgütern zeigen sich die Grenzen des Systems – eine große Spannbreite von Werten (soweit diese überhaupt ermittelbar sind) wird die Folge sein. Diese Spannweite kann bei einem Kunst- bzw. Kulturobjekt zwischen einem symbolischen Wert von einem Euro, einem vergleichsweisen niedrigen Anschaffungswert von zum Beispiel 1,7 Millionen Euro für zwei Gutenbergbibeln oder auch einem stolzen potentiellen Verkaufswert von beispielsweise 700 Millionen Euro für eine Albrecht-Dürer-Sammlung liegen (obwohl ein Verkauf in beiden Fällen sicher nicht zur Debatte stehen sollte).

Das schränkt den Gesamtvergleich zwischen verschiedenen Haushalten stark ein. Zudem bestehen in einer Übergangsphase noch Möglichkeiten, Veränderungen an den Wertansätzen, Verteilungsschlüsseln und ähnlichem vorzunehmen, denn es braucht durchaus Zeit und Erfahrung, das neue Haushaltssystem zu verfeinern und zu verbessern. Dies ist für sich genommen durchaus positiv, vermindert jedoch die Vergleichbarkeit zusätzlich.

Hinzu kommt – zumindest auf mittlerer Sicht – die Vielfalt an Regelungen, denn jedes Bundesland kann selbst wählen, wie (welche Bewertungsansätze) und wieweit (Wahlmöglichkeiten zwischen Doppik und Kameralistik) es die Doppik einführt. Bis Ende 2009 werden bereits alle Kommunen in Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz sowie Hamburg umgestellt haben. Bis 2016 werden dann in zwölf von 16 Bundesländern die Gemeinden die Systematik wechseln (in den verbleibenden Bundesländern bestehen bislang Wahlmöglichkeiten und keine verbindlichen Fristen). Statistische Zeitreihen zu kommunalen Kennziffern wie Ausgaben, Einnahmen und Defizite werden daher für geraume Zeit wohl wenig vergleichbar sein, da es mit der Umstellung zu Strukturbrüchen kommt. Sollten zudem längerfristig erhebliche Unterschiede bei der Umsetzung bleiben, so wird sich dieses Problem dauerhaft stellen.

Insgesamt stehen viele Kommunen vor weit reichenden Änderungen. Nicht überall dürfte in den jeweiligen Parlamenten eine erhöhte Kosten- und Nutzentransparenz für Freude sorgen, da diese doch so manchem lokalpolitischen Prestigeobjekt entgegensteht. Gleichwohl ist die Reform sinnvoll und notwendig. An der strukturellen Einnahmen- und Kostenstruktur – zum Beispiel stetig steigende Sozialausgaben – vermag jedoch auch die Einführung der Doppik nur begrenzt Verbesserungen bringen. Reformen in diesem Bereich sind Sache der Landes- und Bundespolitiker. Vor allem die Reform der föderalen Finanzverfassung, die – bis auf kleine Änderungen – bei der letzten Föderalismusreform sträflich vernachlässigt wurde, bleibt eine der zentralen Aufgaben, die es zu lösen gilt.

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Silicon-Redaktion

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  • Was ein Unsinn
    Ist das eine Lösung für die überschuldeten Kommunen? Was alleine die ganze Umstellung kostet(Software+zusätzliches Personal) steht nirgendswo!
    Was hat eigentlich eine Gemeinde davon, wenn ihr Wald jetzt einen Buchwert hat? Soll dieses System die Grundlage für weiteres Verschleudern von Volkseigentum sein?

  • Kein Unsinn
    Es ist überhaupt kein Unsinn, sondern für eine effiziente Steuerung sehr wichtig von der Kameralistik wegzugehen.
    Wo wäre ein Unternehmen mit Kameralistik? Bald bankrott, da die Steuerungsmöglichkeiten fehlen.
    Kommunen wie Unternehmen zu betrachten macht aber durchaus Sinn, um
    sie betriebswirtschaftlich auf Zack zu bringen.
    Von der Investition in moderne Steuerungssysteme profitiert auch der Bürger.
    Allerings etwas später.

  • Ansatz geht den ersten Schritt in die richtige Richtung
    Der erste Kommentar zeigt wie emotional - und meist falsch - das Thema diskutiert wird.
    Bilanzierung ist richtig und korrekt. Nur so koennen Leistungen prinzipiell quantifiziert werden. Es besteht allerdings die Gefahr noch groesserer Verdunkelung.
    Solange keine Leistugserfassung (oder besser die Ermittlung des erforderlichen Aufwandes fuer saemtliche kommunale Leistungen - z.B. etwa Beerdigung, Reinigung, Meldevorgang) durchgefuehrt ist, ist das ganze noch eher ein Sandkastenspiel. Erst wenn bekannt ist, wieviel "Arbeistwerte" eine Verwaltung tatsaechlich erbringt, kann man von Vergleich reden. Leider straeuben sich Verwaltung und Politik gegen Effinzenzermittlung.
    Und hier liegt der wesentliche Grund fuer die Laehmung unseres Landes.

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