Auf Gemeinde- und Städteebene vollzieht sich eine stille Revolution. Was im 19. Jahrhundert mit der Kameralistik als langjähriger Standard etabliert wurde, wird in absehbarer Zeit durch die Einführung der so genannten Doppik – das heißt der Doppelten Buchführung – völlig neu aufgestellt werden: Die Darstellung und Erfassung der öffentlichen Finanzen, also der Einnahmen und Ausgaben einer Kommune.

Wo liegen die Unterschiede zwischen den beiden Systemen? Während sich die Kameralistik vor allem auf die Ausgaben und Einnahmen eines Jahres konzentriert (so wie es zunächst im Prinzip auch durch das Budgetrecht des Parlamentes vorgeben ist), kommt es im Rahmen der Doppik auf die Änderung des Vermögensbestandes einer Periode an. Dadurch wird einerseits der Werteverzehr – zum Beispiel eine vernachlässigte Infrastruktur – und andererseits zukünftige Ausgabeverpflichtungen – zum Beispiel Pensionslasten – besser berücksichtigt. Für einen Überschuss in einem Jahr reicht es dann nicht mehr aus, lediglich den Zahlungsstrom, das heißt den Abfluss von Geld, zu betrachten. Vielmehr sollte auch der Ressourcenverbrauch und damit nicht unmittelbar liquiditätswirksame Komponenten berücksichtigt werden.

Die Doppik schafft mehr Raum für wirtschaftlicheres Denken bei der Bereitstellung von öffentlichen Dienstleistungen – selbst wenn bereits seit Mitte der 70er Jahre Elemente wie kalkulatorische Abschreibungen Eingang in die Haushaltsrechnung gefunden haben. Zu wissen, was eine einzelne Leistung wirklich kostet, macht auch den Vergleich zwischen Gemeinden leichter. Das hilft zu beurteilen, wer besser wirtschaftet – das heißt, wer mit begrenzten Ressourcen effizient und verantwortungsvoll umgeht und dabei ein möglichst optimales Leistungsangebot zur Verfügung stellt. Dass hierfür ein Bedarf besteht, zeigen regelmäßig Berichte der Landesrechnungshöfe auf. Ziele und Kennzahlen sind in der Praxis übrigens bereits durchaus vorhanden (zum Beispiel in der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalens).

Ein Schuh wird jedoch daraus, wenn die Doppik mit einem funktionierenden Kosten- und Leistungsrechnungssystem, das heißt einem Steuerungsmodell, verbunden wird. Erst dann wird es besser möglich sein, Kosten und Nutzen von Maßnahmen bereits im Vorfeld auch aktiv zu steuern. Dieser Schritt ist jedoch schwieriger als das reine Umstellen von Kameralistik auf Doppik und erfordert noch größeres Umdenken. Große Kommunen haben längst begonnen, moderne ERP-Software (Enterprise Resource Planning) zu implementieren, um eine aktive Steuerung in der Praxis umsetzen zu können. Letztlich können alle profitieren – Verwaltung, Bürger und Unternehmen. Innerhalb der Verwaltung kann die eigene Leistung besser bewertet werden und Bürger und Unternehmen werden mehr Möglichkeiten zur externen Kontrolle des Finanzgebarens eröffnet.

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Silicon-Redaktion

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  • Was ein Unsinn
    Ist das eine Lösung für die überschuldeten Kommunen? Was alleine die ganze Umstellung kostet(Software+zusätzliches Personal) steht nirgendswo!
    Was hat eigentlich eine Gemeinde davon, wenn ihr Wald jetzt einen Buchwert hat? Soll dieses System die Grundlage für weiteres Verschleudern von Volkseigentum sein?

  • Kein Unsinn
    Es ist überhaupt kein Unsinn, sondern für eine effiziente Steuerung sehr wichtig von der Kameralistik wegzugehen.
    Wo wäre ein Unternehmen mit Kameralistik? Bald bankrott, da die Steuerungsmöglichkeiten fehlen.
    Kommunen wie Unternehmen zu betrachten macht aber durchaus Sinn, um
    sie betriebswirtschaftlich auf Zack zu bringen.
    Von der Investition in moderne Steuerungssysteme profitiert auch der Bürger.
    Allerings etwas später.

  • Ansatz geht den ersten Schritt in die richtige Richtung
    Der erste Kommentar zeigt wie emotional - und meist falsch - das Thema diskutiert wird.
    Bilanzierung ist richtig und korrekt. Nur so koennen Leistungen prinzipiell quantifiziert werden. Es besteht allerdings die Gefahr noch groesserer Verdunkelung.
    Solange keine Leistugserfassung (oder besser die Ermittlung des erforderlichen Aufwandes fuer saemtliche kommunale Leistungen - z.B. etwa Beerdigung, Reinigung, Meldevorgang) durchgefuehrt ist, ist das ganze noch eher ein Sandkastenspiel. Erst wenn bekannt ist, wieviel "Arbeistwerte" eine Verwaltung tatsaechlich erbringt, kann man von Vergleich reden. Leider straeuben sich Verwaltung und Politik gegen Effinzenzermittlung.
    Und hier liegt der wesentliche Grund fuer die Laehmung unseres Landes.

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