In VoIP-Projekten entscheidet häufig die Machtfrage


Rainer Oude Hengel ist Solution Marketing TC / ICT, Marketing Executive Consulting bei T-Systems

silicon.de: Im Moment scheint es am Markt eine große Verwirrung zu geben, wenn die Experten über “Voice over IP” – “VoIP”, und “Unified Communications” – also “UC” reden. Wie sortieren Sie bei T-Systems diese beiden Bereiche auseinander und welche Überschneidungen sehen Sie?

Rainer Oude Hengel: Früher war UC und VoIP ein getrenntes Angebot. Das hatte historische Gründe: Unsere Leistungen auf der Cisco-Schiene sind eher aus dem traditionellen Telekommunikationsangebot gekommen. Und die Microsoft-Produkte hatten wir im traditionellen Messaging- und Collaboration-Bereich angeboten.

Aber die Überschneidungen in den Produkten dieser und anderer Hersteller sind inzwischen so, dass eine Trennung illusorisch wäre. Telekommunikation, Collaboration und Messaging sind zusammengeführt. Diese Themen sind nicht mehr zu trennen.

Wir verstehen den Zusammenhang so, dass VoIP eine wichtige Vorstufe zu UC ist. Wer die Collaboration nicht will, kann VoIP zunächst als Zwischenschritt einführen. Denn früher oder später verändert sich die Kommunikation im Unternehmen und die Verantwortlichen müssen den nächsten Schritt zu UC gehen.

silicon.de: Viele CIOs und TK-Verantwortliche sagen, dass insbesondere langjährige Mitarbeiter sehr gerne telefonieren, aber die UC-Funktionen wie Chatten, Video oder Presence ablehnen und in ihren Prozessen auch nicht damit arbeiten wollen.

Rainer Oude Hengel: Das kann man pauschal nicht sagen. Die ersten Referenzen, die wir für die Zusammenlegung von Sprach- und Daten-Netzen auf IP hatten, waren große Landesnetze, wie beispielweise Sachsen. Die sind führend gewesen. Nach meinem Wissen nutzen die Mitarbeiter alle Funktionen.

silicon.de: Wenn IT-Verantwortliche an UC oder VoIP denken, ist das ja meistens Chat, Presence, Telefonieren, Videokonferenz. Prozesse wie Dokumente austauschen oder Nachrichten schreiben werden heute aber eher über Mails abgebildet, als über Chat- oder Daten-Räume.

Rainer Oude Hengel: Das ist ein kulturelles Thema. Die Übergänge sind in der IT-Welt fließend. Und je mehr IT und Telekommunikation in einem Netzwerk zusammenkommen, umso fließender wird es. Collaboration auf einfachem Niveau ist bei unseren Angeboten bereits in den Standards mit drin. Da ist die erste Schwelle dann schon überschritten.

Sicherheitsrisiko private Chats

silicon.de: Gerade Chatten hat bei vielen IT-Leitern den Beigeschmack einer höchst unsicheren Kommunikationsform. Als die Bankangestellten der Wall Street die Chats entdeckt hatten, so heißt es, erkannten sie als erstes die Möglichkeit unter Umgehung sämtlicher Sicherheitssysteme mit ihren Kollegen zu kommunizieren und Dokumente an den Sicherheitssystemen der Banken vorbei zu verschicken. Es gibt IT-Experten, die Chatten und die mit dem Chat möglichen Umgehungen der Sicherheitssysteme einer Bank für einen Auslöser der letzten Finanzkrise halten.

Rainer Oude Hengel: Für uns sind VoIP und UC interessant, wenn die Kunden die Technologien für ihre – selbstverständlich gesetzeskonformen und professionellen – Prozesse nutzen. Das ist ein wichtiger Aspekt. Wenn die Kunden die Abläufe darauf einstimmen, können sie die Kommunikation ganz anders gestalten, ganz anders agieren, Services ganz neu gestalten – denken Sie an Callcenter.

silicon.de: Haben Sie Blue Prints für Prozesse, die zeigen, wie die Prozesse das gesamte Unternehmen und die gesamten Abläufe verbessern?

Rainer Oude Hengel: Ja, wir können zeigen, was wir uns vorstellen können, und was wir bereits realisiert haben. Das sind dann aber keine Standards mehr. Es geht sehr in die individuellen Prozesse hinein – beispielsweise wie wir die Integration in Outlook realisieren oder die in Callcenter-Masken.

silicon.de: Sind die internen Netzwerke ihrer Kunden so gut und so weit ausgebaut, dass sie ohne Probleme VoIP und UC darüber laufen lassen können – und in wieweit begrenzt die Bandbreite der Netzwerke die Collaboration-Funktionen?

Rainer Oude Hengel: In einem Projekt ist natürlich ein sogenannter “VoIP Readiness Check” einer der ersten Schritte. Wir sehen uns als Integrator und wir bieten die gesamte Migration der alten IT-Welt auf eine saubere, IP-basierte IT-Landschaft an. Da begleiten wir den Kunden langfristig.

Wir können die Leistungsfähigkeit und Geschwindigkeit jeder Anwendung, auch die für Sprache, im Netzwerk vom Startpunkt über die Server bis zum Endpunkt checken. Über alle Strecken können wir die Netzwerkqualität genau unter die Lupe nehmen und dauerhaft beobachten.

silicon.de: Zentrale Administration der Telefonanlagen scheint für international tätige Konzerne ein großes Problem zu sein. Häufig arbeitet ein Konzern mit einer hohen Zahl von Anlagen von den unterschiedlichsten Lieferanten und Herstellern.

Rainer Oude Hengel: Wir sammeln gerade neue Erfahrungen in einem aktuellen Projekt. Gemeinsam mit einem Konzern aus dem Dienstleistungssektor sind wir dabei 30.000 Arbeits- und Serviceplätze europaweit über VoIP und UC miteinander zu verbinden.

Die Konzernstruktur und die Zuständigkeiten innerhalb einer solchen Organisation sind in so einem Projekt zuweilen die größere Herausforderung, größer als die technische Realisierung. Die Ländergesellschaften haben eine sehr hohe Autonomie, was ihre Infrastruktur betrifft. Deshalb war die schwierigste Hürde nicht die technische Umsetzung für das Projekt. Sondern es ging darum, dass die kaufmännischen und verwalterischen Kostenvorteile so groß sind, dass die Landes-CIOs gegenüber den Verantwortlichen des Konzerns bei dieser Zentralisierung mitziehen.

Welcher Regionalchef gibt freiwillig Macht ab? Das ist ein großes Thema. Am Ende haben unsere Argumente überzeugt und alle haben zugestimmt und wir arbeiten jetzt am Roll Out in vielen europäischen Ländern.

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Silicon-Redaktion

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