Kein Verkauf gebrauchter Apps durch EuGH-Urteil?

Der eigentliche Streitpunkt zwischen Oracle und dem Münchener Gebrauchtsoftware-Händler UsedSoft war, dass in den Augen Oracle bei einem Download grob gesagt keine Lizenz verkauft wird, sondern der Hersteller dem Käufer nur ein Nutzungsrecht einräumt. Laut dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes jedoch gilt dieser Grundsatz der Erschöpfung des Verbreitungsrechts auch für Software, die man aus dem Netz herunter lädt.

Des weiteren hielt das EuGH fest, dass Händler aus Volumenlizenzen nicht “übrige” Lizenzen weiter verkauft werden dürfen, wie es teilweise auch der Münchner Gebrauchtsoftware-Händler UsedSoft tut.

Daher wertet UsedSoft das Urteil auch dahingehend, dass dass laut EuGH lediglich Client-Server-Lizenzen nicht einzeln verkauft werden dürfen. Damit seien Programme gemeint, die auf einem Server liegen und auf die eine bestimmte Anzahl von Nutzern zugreifen können. “Hier wäre eine Aufspaltung in der Tat widersinnig. Die Ausführungen des EuGH zum Aufspaltungsverbot beziehen sich aber nicht auf Volumenlizenzen, wo mehrere einzelne Programme lediglich in einem Paket zusammen verkauft und auch einzeln auf den jeweiligen Arbeitsplatz-Computern abgespeichert werden” teilt UsedSoft-CEO Peter Schneider in einer Mitteilung an die Presse mit.

Etwas vorsichtiger formuliert das Microsoft-Sprecher Heiko Elmsheuser. Microsoft müsse erst eingehend prüfen, inwieweit dieses Urteil auf die derzeit gängig Praxis beim Vertrieb von gebrauchten Microsoft-Lizenzen anwendbar ist. Es finde derzeit bei Weiterverkäufen bisher nämlich in der überwiegenden Zahl der Fälle eine Aufspaltung statt – indem zum Beispiel von einem Konzern mit 50.000 Office-Lizenzen 5000 abgegeben werden.
Nun meldet sich mit Erik Wachter ein Fachanwalt für Informationsrecht zu Wort. Er glaubt, dass sich durch das EuGH-Urteil nicht sonderlich viel in der Landschaft des Handels mit Gebrauchter Software tun werde.

“Die Entscheidung schafft zwar endlich Rechtssicherheit”, so der Rechtsanwalt der Kieler Kanzlei SDP STRUNK DIRKS + PARTNER. “Die praktischen Auswirkungen des Urteils dürften jedoch zu vernachlässigen sein”, glaubt der IT-Anwalt. Denn Softwarelizenzen können vielfach jetzt trotzdem nicht gebraucht verkauft werden.

“Auch wenn der Gerichtshof ein klares Signal für den Handel mit gebrauchter Software gesetzt hat: Einen Aufschwung im Handel mit gebrauchten Softwarelizenzen erwarten wir nicht.” Es sei sämtliche onlinebezogene Software von dem Urteil betroffen damit auch milliardenfach vertriebenen Apps für Smartphones.

“Wer allerdings hofft, alte Programme jetzt endlich verkaufen zu können wird enttäuscht sein”, so der Experte. “Der Gerichtshof hat den Softwareherstellern nicht auferlegt, einen Gebrauchthandel technisch zu ermöglichen oder gar zu unterstützen”, so der Kieler Jurist. “Nach wie vor können Hersteller technische Schutzmaßnahmen sowie Einschränkungen einsetzen und damit den freien Handel mit ihren gebrauchten Softwarelizenzen faktisch unmöglich machen. Mit dem Urteil hat also niemand etwas gewonnen.

“Es wurde lediglich erlaubt, was Softwarehersteller selbst verhindern können. Und die werden den Gebrauchthandel mit Ihrer Software nicht unterstützen”, befürchtet so Wachter. Allerdings sind die Mehrzahl der genutzten Apps ohnehin kostenlos oder für wenige Euro zu haben. Ein großer Markt für gebrauchte Apps steht ohnehin nicht zu erwarten. Dennoch existieren auch kostspielige Apps, bei denen sich ein Weiterverkauf für den Anwender vielleicht lohnen würde.

Redaktion

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  • Ich denke, hier irrt Erik Wachter gewaltig. Es bedarf keiner besonderen Technik für den Weiterverkauf, dies haben seit Jahren usedsoft und andere Händler demonstriert. Wer das Urteil genau liest, wird auch erkennen, dass der Gerichtshof die Prinzipien des freien Warenverkehrs und des Erschöpfungsgrundsatzes als hohe Rechtsgüter gegen die Auffassung des Softwareanbeiters und die bisherigen Überzeugungen diverser EU-Länder stellt und den Käufer von Gebrauchtlizenzen mit weitreichenden Rechten ausstattet, einschließlich des Rechtes zum erneuten Download des lizenzierten Produkts. Es bleibt abzuwarten, ob die Softwareanbieter tatsächlich neue Hürden aufbauen wollen, um sich erneut in einer schlechteren Rechtslage wiederzufinden. Insgesamt ein echter Sieg für die Softwarekunden in der EU.

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