PC-Produktion in Deutschland – und es geht doch!

Das Problem der hohen Lohnnebenkosten löst Fujitsu Siemens mit typisch deutschen Tugenden: Organisation, Planung und vor allem Flexibilität

Hat Deutschland als Produktionsstandort ausgedient? Die Handy-Werke in Bocholt und Kamp-Lintfort haben gerade noch die Kurve gekriegt, in Rüsselsheim und Bochum hat man den Glauben wohl eher verloren. Schwierig zu sagen, ob ein Absatzproblem, wie es Opel hat, automatisch auch als Kostenproblem dargestellt werden kann oder muss, und daraufhin die Konsequenzen gezogen werden müssen.
Fujitsu Siemens Computers (FSC) produziert seit mehr als zehn Jahren PCs in Augsburg und hat offensichtlich kein Absatzproblem: Laut IDC verzeichnete das Unternehmen im ersten Kalenderhalbjahr 2004 in der EMEA-Region (Europe, Middle East, Africa) ein um 8 Prozent schnelleres Wachstum als der Markt und erzielte nach eigenen Angaben in der ersten Hälfte seines Geschäftsjahres (April bis September 2004) gegenüber dem Vorjahr eine deutliche Steigerung von 15 Prozent beim Umsatz (auf 2,56 Milliarden Euro) und von 32 Prozent bei den Stückzahlen.

Am Produktionsstandort Augsburg will man festhalten, auch wenn Personal Computer und Server immer mehr zu ‘Commodities’ werden und die Margen in diesem Geschäft durch den hohen Konkurrenzdruck von Jahr zu Jahr schlechter. Augsburg galt schon seit seiner Modernisierung ab dem Jahr 2000 als Musterbeispiel effizienter Produktion und erhielt diverse Auszeichnungen, vor allem im Bereich des Supply Chain Management.
 
Logistik und Flexibilität nennt Peter Eßer, Executive Vice President Volume Products & Supply Operations, als entscheidende Faktoren für den Produktionsstandort Augsburg von Fujitsu Siemens Computers. Und er bringt die Problematik auf den Punkt: Ohne die hohe Flexibilität, die den rund 2000 Angestellten des Werks und 400 bis 600 Zeitarbeitskräften abverlangt wird, gäbe es diese Arbeitsplätze überhaupt nicht. Das ist der Preis für die hohen Lohnnebenkosten in Deutschland.

Wie lang wird heute gearbeitet?

Die wöchentlichen Arbeitszeiten können für die FSC-Mitarbeiter in Augsburg zwischen 24 Stunden, d.h. sechs Stunden täglich von Montag bis Donnerstag, und maximal 48 Stunden – acht Stunden täglich von Montag bis Samstag – schwanken. Dabei erfahren die Mitarbeiter nach Möglichkeit am Montag ihre Arbeitszeiten für die jeweilige Woche, gegebenenfalls erhalten sie aber auch am selben Morgen telefonisch die Mitteilung, ob sie eine Sechs-, Sieben- oder Achtstunden-Schicht erwartet.

Nach Aussagen der Werksleitung wird ihnen die Notwendigkeit solcher Flexibilität allerdings auch vermittelt – schließlich ist die Motivation von Angestellten und Zeitarbeitskräften entscheidend für die Qualität der Produkte. Und Qualität sowie das Know-how, Computer schnell nach Kundenwünschen konfigurieren und ausliefern zu können, sind nach Aussage der FSC-Manager die entscheidenden Wettbewerbsvorteile.

Die hohe Anpassungsfähigkeit, einerseits an die sehr starken Schwankungen bei den Auftragseingängen und auf der anderen Seite an eine große Anzahl verschiedener Konfigurationsmöglichkeiten, wird gerade durch die niedrige Automatisierung erreicht: In Herstellung und Montage der Geräte sind vergleichsweise viele Arbeitskräfte beschäftigt, was den Vorteil hat, dass die Produktionslinien für jeden Auftrag – bei Bedarf sogar stündlich – umgerüstet werden können.

Auf einer Fertigungsstraße, auf der gerade noch Notebooks zusammengebaut werden, kann man anschließend Workstations montieren. Lediglich beim Aufspielen der Betriebssysteme in verschiedenen Sprachen, wozu auch die Beschriftung der dazu passenden Tastaturen per Laser gehört, und im Testbereich ist der Automatisierungsgrad hoch. Zur Messung der elektromagnetischen Verträglichkeit der Computer hat Fujitsu Siemens Augsburg ein eigenes EMV-Testcenter.

Auf die Mischung kommt es an

Es wird nach drei Supply-Chain-Modellen gearbeitet: ‘value4you’, ‘built4you’ und ‘made4you’. Bei den ‘value4you’-Rechnern handelt es sich um Channel-Partner-Produkte, die auf speziellen Konfigurationen basieren. Die ‘built4you’-Geräte sind nach dem ‘PC-Configurator’, einem Angebot für Händler im FSC-System, aus einer bestimmten Auswahl an Komponenten für die Kunden konfiguriert.

Die ‘made4you’-Computer basieren auf kundenspezifischen Lösungen. Nach diesem Konzept werden im Augsburger FSC-Werk ‘Lifebook’-Notebooks, die ‘Scenic’-PC- und ‘Celsius’-Workstation-Produktlinien, zu denen auch ‘grüne’ Modelle gehören, sowie auf Intel-Architektur basierte ‘Primergy’-Server mit ein und zwei Prozessoren hergestellt bzw. assembliert. Maximal können bis zu 12.000 Computer pro Tag ausgeliefert werden. Im letzten Quartal wurden zwischen 7000 und 12.000 Systeme täglich produziert.

Entscheidend für die schnelle Ausrichtung an den Kundenbedürfnissen ist die eigene Mainboard-Fertigung, wobei etwa 80 Prozent der benötigten Bauteile auf den unterschiedlichen System-Boards gleich sind. Außerdem führt man für das Just-In-Time-Manufacturing die Vorzüge asiatischer und europäischer Produktionsweise zusammen: Während die Barebones preisgünstig in Asien gefertigt werden, findet die Herstellung der Platinen sowie Konfiguration und Assemblierung der Computer nah am Kunden – für den EMEA-Bereich (Europa, Mittlerer Osten und Afrika) – in Augsburg statt. So kann eine Lieferzeit der Rechner ab Auftragseingang von durchschnittlich sieben Tagen erreicht werden. Würden die Computer komplett in Asien montiert werden, ergäbe sich eine Lieferzeit von etwa sechs Wochen per Schiff bzw. sehr hohe Frachtkosten bei raschem Transport mit dem Flugzeug.

Auch für den Export tauglich

Workstations und Server werden allerdings von Augsburg aus für den weltweiten Vertrieb entwickelt und ausgeliefert, da die internationalen Geschäftskunden aus einer Hand bedient werden wollen. Hier findet eine Aufgabenteilung mit dem Werk in Paderborn statt, wo Marketing-, Vertriebs- und Entwicklungsabteilungen für Enterprise-Produkte, vor allem große Server, ansässig sind. Die FS-Computer werden ausschließlich indirekt vertrieben.

Natürlich gehört auch Innovationsfähigkeit zu den wichtigsten Wettbewerbsfaktoren: 25 Prozent der gesamten Mainboard-Produktion von Fujitsu Siemens sind inzwischen ‘grüne’ Platinen, d.h. dass beim Löten kein Blei verwendet wird. Übrigens haben die ‘grünen’ Boards zur Unterscheidung gegenüber den herkömmlichen, die ja traditionell alle grün sind, eine blaue Beschichtung. ‘Green PCs’ für den professionellen und den Consumer-Bereich machen bereits ein Viertel aller in den EMEA-Markt verkauften Fujitsu-Siemens-Desktop-Rechner aus. “Wir bauen schon jetzt die Green PCs, die ab Mitte 2005 aufgrund der neuen EU-Richtlinien gesetzlich gefordert sind”, verkündet Peter Eßer dazu stolz.

FSC hat Erfahrung bei der Entwicklung und Fertigung von umweltfreundlichen PCs: Noch unter dem Namen Siemens Nixdorf erhielt das Unternehmen als erster PC-Hersteller 1994 das Umweltzeichen ‘Blauer Engel’. Seitdem wurde das Konzept kontinuierlich weiterentwickelt. Zu den FSC-Standards gehören unter anderem die Verwendung von Batterien ohne Kadmium und Quecksilber und von halogenfreiem Kunststoff. Dazu kommen recyclebare Materialien und Systeme, die leicht auseinander zu nehmen sind, was auch dem eigenen Recycling-Center in Paderborn zugute kommt. Auch andere Aspekte der umweltverträglichen Produktion wirken sich günstig aus: So ergaben sich deutliche Kosteneinsparungen beim Verpackungsmaterial und eine Stromverbrauchsreduzierung von rund 60 Prozent, da beispielsweise innerhalb von zehn Jahren die Testzeiten von 24 Stunden auf unter eine Stunde sanken.