Phänomenologie der Informationsgesellschaft

Was denn so schlimm sei am Internet, wollte der Schreiber unlängst von einem Professor wissen, der an der Welt und am Netz zu verzweifeln schien. Der Kommerz? Die Pornographie? Der Cyberwar? – “Nein”, jammerte der Befragte, “Wikipedia”.

Seit dieser Woche steht fest, dass dazu neben der HSP (Horst-Schlämmer-Partei) auch die Partei (Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Eliteförderung und basisdemokratische Initiativen) von Martin Sonneborn, Ex-Chefredakteur von Titanic, sowie die FU (Gabriele-Pauli-Partei) von Gabriele Pauli, Multi-Ex, gehören.

Diese Parteien treten am 27. September mit Google-Kandidaten an. Jene heißen so, weil man sie nicht wählen kann. Sie aber im amtlichen Suchergebnis von Google immer vor den Twitter-Politikern rangieren.

Obwohl schillernd wie Gabriele Pauli, ist der Baron zu Guttenberg übrigens kein Google-Kandidat, sondern als dienstjüngstes Kabinettsmitglied zuständig für die bundesdeutsche Wirtschaft, bei der es sich nach der hier strapazierten Logik um eine E-Bay-Ökonomie handelt. Ein globalisierter Flohmarkt für Jobs.

“Job” ist die zeitgemäße Bezeichnung für Beruf. Einen Job hat man, weil man halt keinen anderen hat. Wär’s umgekehrt, wär’s genauso in Ordnung oder genauso wenig. Man braucht ihn, um das Geld für das Notwendigste und für den Fun heranzuschaffen.

Der Beruf hingegen hat den gleichen Wortstamm wie die Berufung und ist entsprechend etwas sehr Ernstes. Freude macht er, was man umgangsprachlich auch Spaß nennt, was man aber nie mit dem verkaufsfördernden Wort “Fun” bezeichnen sollte.

Das amtsdeutsche Synonym für Beruf ist “Normalarbeitsverhältnis”. Und davon gibt’s in Deutschland immer weniger, wie letzte Woche das Statistische Bundesamt festgestellt hat.

Stattdessen nehmen die geringfügige Beschäftigung und die Leiharbeit zu. Arbeitsverhältnisse, die man allein schon deshalb tunlichst mit dem Substantiv “Job” belegt, weil dazu das Adjektiv “lausig” so gut passt. Von 2,5 auf 7,7 Millionen ist ihre Zahl in den vergangenen zehn Jahren gestiegen.

Darauf kann man auch kommen, wenn man an die Informationsgesellschaft denkt, an übertaktete Studenten, Politiker mit Handy-Daumen und lausige Jobs im Call-Center. Der Herr Professor aber verzweifelt an den Wikipedia-Kids. Das ist doch wahrer intellektueller Luxus! Den kann man sich nur leisten, wenn man so einen Klasse-Job hat wie er.