UMI-Kommunikation

Puuh! Das war wieder eine Woche: Anrufe, Mailings und Conference Calls von Montag gleich nach 8 bis gerade eben. Kommunizieren nennt sich das gemeinhin, was einen so von der Arbeit abhält.

Dabei ist Kommunikation im Prinzip eine feine Sache: Man weiß schließlich nicht von einander, was der jeweils andere so denkt. Und deshalb erzählt man’s sich halt gegenseitig. Das ist interessant und erweitert den Horizont.

Damit’s aber nicht gar zu schön wird, wurden die modernen Kommunikationsmittel erfunden. Oder um es mit dem obligatorischen TLA (Three Letter Acronym) zu sagen: Kommunikation ist heute UMI (unified, mobile und Internet-basiert). Und die wichtigsten Instrumente dafür, also um zu verhindern, dass anregende und nützliche Gespräche geführt werden, sind Handys, Call Center und Web-Formulare.

Früher konnte man Menschen, die nicht kommunikationswillig oder –fähig waren, oft nur an ihrer Lautstärke erkennen. Eine Rotznase in der Trotzphase, die “Will aber!” brüllt, etwa. Die gibt einem zu verstehen, dass alle guten Worte nichts helfen werden.

Betrunkene sind ebenfalls häufig laut, aber wiederum selten noch ansprechbar. Oder Überzeugte. Die heißen ja so, weil sie überzeugen und nicht etwa weil sie überzeugt werden wollen.

Denen braucht man gar nicht erst zu kommen – mit Argumenten, Einwänden oder der Wirklichkeit. Und wovon sie überzeugt sind, einer Religion, einer politischen Richtung, einem Fußballverein oder von sich selbst, das tun sie in der Regel recht lautstark kund.

Bezieht sich ihre Überzeugung auf den Fußball, dann kommt häufig noch ein weiterer Grund für die mangelnde kommunikative Aufnahmebereitschaft hinzu, derselbe wie bei der Gruppe der Betrunkenen. Und noch stärker als Alkohol schränkt Selbstgefälligkeit die Bereitschaft zuzuhören ein. Selbstgerechte sind entsprechend besonders laut.

Also der Zusammenhang von Lautstärke und Kommunikationsunfähigkeit ist schon evident. – Der Fortschritt nun, den der Mobilfunk gebracht hat, besteht darin, dass fast jeder – unabhängig von Alter, Alkoholisierungsgrad, Spiritualität, Weltbild und Ego – zum Schreihals wird, sobald er sich ein Handy ans Ohr hält.

Wer mobil telefoniert, der broadcastet in aller Regel auf dem sozialen Layer, auch wenn, rein technisch gesehen, darunter eine One-to-One-Verbindung aufgebaut wird. Er beschallt seine Umgebung. Und jene kann so – zwangsweise und empirisch – ständig verifizieren, dass die kommunikative Payload von Handy-Gesprächen gegen Null tendiert.

Das Handy war sogar in der Lage, die antiquierte Festnetz-Telefonie auf den Stand der Zeit zu bringen. Erreicht man darüber einen jener Leute, die ständig erreichbar sein müssen und es eben deswegen nie sind, dessen Mobilbox man daher schon unzählige Male besprochen hat, so besteht ebenfalls nicht die Gefahr, dass man ihm ganz altertümlich etwas fernmündlich mitteilen könnte. Denn er wird das drohende Gespräch garantiert mit dem Hinweis abbrechen, dass gerade sein Mobile klingelt.

Unified wiederum ist die moderne Kommunikation durch die Call Center geworden. Die haben die Arbeit in den Front Offices der Unternehmen doch sehr erleichtert.

Dort gingen früher völlig unstrukturiert Reklamationen per Post, Anfragen per Fax oder E-Mail und Anrufe auf dem Service-Telefon ein. Heute läuft das alles im Call Center zusammen und kann dort kostengünstig in einem Arbeitsschritt ignoriert werden.

Call Center sind ein Kernelement der modernen asymmetrischen Unternehmenskommunikation. Die Kunden und vor allen diejenigen, die keine Kunden werden wollen, sind dadurch jederzeit erreichbar, um ihnen wichtige Informationen über Lotterien – mit einem Gruß von Günther Jauch – oder über windige Finanzgeschäfte zu übermitteln.

Lästige Anfragen an ein Unternehmen hingegen können durch ein mehrstufiges Sicherheitssystem schon im Vorfeld abgefangen werden: Der Anrufer wird zunächst mit einem Sprach-Computer verbunden, der ihm mehrere Optionen eröffnet. Stets die am letzten genannte ist: “Wenn Sie mit einem Mitarbeiter verbunden werden wollen, sagen Sie…” Oft genügt das schon, damit der Computer nichts versteht und die Gefahr so abgewendet werden kann.

Wenn nicht, ertönt eine preiswerte weil Lizenzkosten-freie Warteschleifen-Musik, die bei ungeduldigen Zeitgenossen ebenfalls zielführend wirkt. Erst auf der letzten Stufe ist der Einsatz teurer Arbeitskraft (meist so um die 7 Euro die Stunde) von Nöten.

Der vom Computer angekündigte Mitarbeiter verspricht, den Anrufer mit dem Zuständigen zu verbinden, tut das aber nicht, weil jener gerade nicht an seinem Platz ist. So ist es schließlich auf dieser Bearbeitungsebene möglich, jede potentiell Kosten verursachende Anfrage mit Hilfe des Anrufbeantworters einer kompetenten Fachkraft sicher zu entsorgen.

Im Internet schließlich können Unternehmen sogar eine sichere Sandbox für die lästige Journaille einrichten: Sie stellen einen hübschen Press-Room ins Web mit all den schönen Dingen, die sie zu bieten haben wie Logos, bunten Bildern und Flyern. Gutwillige können sich dort bedienen. Bösartige Aktivitäten hingegen werden aufgedeckt und isoliert.

Wenn etwa so ein Schreiberling dieser Tage im Press-Room von Yahoo unter der Rubrik Press Contacts ein Web-Formular mit einer Anfrage zu den chinesischen Internet-Journalisten ausfüllt, deren Daten der Konzern wohl an die dortigen Zensurbehörden weitergegeben hat, dann generiert ein Script umgehend den Satz: “Thank you for your interest.”

Die journalistische Malware ist dadurch erst einmal geblockt und kann nur woanders Schaden anrichten. Der Schreiber hat deswegen auch mit einem jungen, unerfahrenen Kollegen darüber geplaudert. Und auch dessen Einwände hat er sich angehört.

Der Youngster war überzeugt davon, dass Yahoo die Anfrage noch beantworten wird. Sogar ein Bier hat er drauf gewettet. – Ja, das tut gut, zwischendurch mal wieder so richtig altmodisch von Mensch zu Mensch zu kommunizieren.

So. Das war der Rückblick für diese Woche. Der Schreiber hat jetzt nämlich keine Zeit mehr. Er muss ins Wirtshaus. – Der Grünschnabel zahlt!