IT-Projekte: Wege aus dem Chaos

Nur 25 Prozent aller IT-Projekte gelingen. Auftraggeber und Auftragnehmer suchen nach neuen Wegen aus dem Schlammassel.

Was der eine will, wird vom anderen verhindert. Und heraus kommt, was keiner von beiden gewollt hat. So kann man beschreiben, was oft passiert, nachdem sich Auftraggeber und Auftragnehmer auf ein IT-Projekt geeinigt haben: Chaos. 

‘Chaos Report’ – so hatte auch das schwedische Marktforschungsunternehmen Standish Group seine vielzitierte Untersuchung von IT-Projekten genannt. Danach werden nur 25 Prozent aller Projekte erfolgreich abgeschlossen. Da zeigte sich auch Bundesinnenminister Schily schockiert.

Woran scheitern IT-Projekte, hinterfragte das IT-Freiberuflerportal Gulp.de. Nach dieser Umfrage gibt es dafür vor allem vier Ursachen: unpräzise Vorgaben (36 Prozent der Nennungen), starres Festhalten an IT-Strategien (19 Prozent), Kommunikationsprobleme (18 Prozent) und fehlendes Know-how (11 Prozent).

Die Botschaft ist angekommen, die IT-Branche rückt dem Chaos auf den Leib. Sorgfältig geführte Lasten- und Pflichtenhefte sollen unpräzisen Vorgaben den Garaus machen. SAP richtet bei Großprojekten einen Lenkungsausschuss ein, um ein starres Festhalten an Strategien zu verhindern. Die Kommunikation wird klarer, wenn den Verantwortlichen typische Verhaltensmuster bewusst werden. Und das technische Know-how wird mit Garantien unterfüttert.
 
Präzise Vorgaben im Lastenheft und Pflichtenheft

“Besonders im Mittelstand sind unpräzise Vorgaben die Regel”, sagt Wilfried Reiners, auf die IT-Branche spezialisierter Münchner Rechtsanwalt, im Gespräch mit silicon.de. Dabei könnten Auftraggeber und Auftragnehmer in einem Lastenheft und in einem Pflichtenheft klar vereinbaren, was zu tun sein.

Das Lastenheft beschreibt das zu erstellende Produkt (die Last), theoretisch aus der Sicht des Auftraggebers. Und im Pflichtenheft sind die Tätigkeiten (Pflichten) aufgeführt, mit denen der Auftragnehmer das Produkt realisieren wird.

Jedoch: “Bei den meisten IT-Projekten gibt es entweder keine oder schlechte Pflichtenhefte.” Viele Verantwortliche seien der Meinung, man könne das Lastenheft umbenennen und als Pflichtenheft zum Bestandteil des Projekt-Vertrages machen. In der Praxis zeige sich dann oft, dass die Inhalte dieser Pflichtenhefte nicht umgesetzt werden könnten.

“Eigentlich soll der Auftraggeber das Lastenheft und das Pflichtenheft erstellen”, so Reiners. In Wirklichkeit sei es jedoch häufig so, dass der Auftragnehmer die Formulierung übernehme. “Beim Auftraggeber heißt es dann: Dafür haben wir keine Zeit.”

Damit schneide sich der Auftraggeber ins eigene Fleisch. Schließlich kenne der seine eigenen Bedürfnisse besser als der Auftragnehmer – könne diese jedoch nicht ins Pflichtenheft einbringen. Diese Praxis habe jedoch auch einen Vorteil. Der Auftragnehmer führe oft nur das auf, was er wirklich könne.

Flexible IT-Strategien im Lenkungsausschuss

Je größer das IT-Projekt, desto teurer auch das Scheitern. Und desto lohnender ist es, alle Verantwortlichen an einen Tisch zu bringen, um das Projekt zu überwachen und zu steuern. SAP ist bei Großprojekten dazu übergegangen, eine spezielle Schiedsstelle einzurichten: den Lenkungsausschuss. “Das ist eine Plattform, um das Projekt ständig neu auf die Strategie des Auftraggebers und die Produkte des Auftragnehmers zu justieren”, sagt Walter Bachmann, Leiter des Geschäftsbereiches Financial Services Industries bei SAP Consulting Deutschland.

Der Ausschuss ist mit Vertretern aller Projektbeteiligten besetzt und fungiert als oberstes Gremium der Projektorganisation. Ein Kreis, in dem die Verantwortlichen miteinander reden – so können unpräzise Vorgaben, Kommunikationsprobleme und fehlendes Know-how thematisiert werden.

“Wir haben mit dem Lenkungsausschuss viele positive Erfahrungen gemacht”, so Bachmann. Dieses Forum mache den Projektfortgang transparent. Damit sei es auch möglich, bei Verzögerungen frühzeitig gegenzusteuern. “Der Lenkungsausschuss ist aber kein Instrument, um Projekte auf operativer Ebene zu managen”, so Bachmann. Das habe durch das Projektmanagement zu erfolgen. Das Management müsse einem klaren Projektauftrag folgen – mit eindeutigen Zielen und einer realistischen Planung.

Typische Verhaltensmuster aufdecken

Wie kann es zu einer Situation kommen, in der die Kommunikation zusammenbricht und Auftraggeber und Auftragnehmer sich in gegenseitigen Vorwürfen zerfleischen? “Alle Projekt-Beteiligten haben unterschiedliche Interessen”, sagt Reiners. Das werde jedoch oft unterbewertet.