Cold Call beim Rechtsstaat

Auf was man so alles stößt beim Surfen! – Beispielsweise auf die “Charta Verbrauchersouveränität in der digitalen Welt”. Wow! Die hat Horst Seehofer (CSU) letztes Jahr proklamiert.

Ach ja. Da möchte man doch sein Verbraucherrecht, das Seehofer deklariert und Zypries novelliert, in die eigene Hand nehmen natürlich nicht mit dem Sechsschüssigen, sondern auf dem Rechtsweg.

Das aber darf man nicht. Da war im Wilden Westen der Marshal zuständig. Und in der digitalen Welt ist’s Brigitte Zypries. Die Marshals – so wie man sie vom Fernsehen her halt kennt – die waren meist ja schwer in Ordnung. Aber Britte Zypries…

Die erklärt ein Paragraphenwerk, das novellierte UWG (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb), zum Verbraucherschutzgesetz, obwohl es dem “wirklich wirksam” Geschützen überhaupt keine wirklichen Rechte einräumt.

Der Name sagt’s schon: Das UWG schützt den lauteren Wettbewerb und damit den Wettbewerber, der sich so verhält. Die Belästigung der Leute gilt dabei allenfalls als Kollateralschaden im Ringen um Lauterkeit.

Dass man nicht schießen darf, sieht man ja ein. Aber vor Gericht klagen würde er vielleicht gerne, der souveräne Verbraucher. Darf er aber nicht. Nur Verbraucherverbänden ist das im Namen ihrer Mündel erlaubt.

Allerdings sind diese Verbände schon sehr rege. Sie fordern beispielsweise, dass telefonisch abgeschlossene Verträge grundsätzlich schriftlich bestätigt werden müssen. Brigitte Zypries wiederum sagt dazu im D-Radio-Interview: “Wenn Sie… Ihre Pizza telefonisch bestellen… wollen Sie ja nicht
hinterher noch ein Fax schicken.”

Als Verfassungsministerin muss sie eben auch an den rechtstheoretisch hochinteressanten Fall einer per Kaltakquise vertriebenen Quattro Stagioni denken. Diesen Wettbewerbsmarkt mit Zukunft möchte sie wohl nicht verbauen.

Sehr viel weniger Eventualitäten gilt es hingegen bei Hartz-IV-Empfängern zu berücksichtigen. Denen ist vom Grundsatz her jede Arbeit zuzumuten. Die TAZ vermutet, dass sie deswegen über die Jobbörse der BA auch als Telefondrücker in illegale Callcenter vermittelt werden.
Einige der dortigen Stellenausschreibungen deuten jedenfalls darauf hin. Gesucht wird etwa “eine/n Telefonisten/-in… auf Teilzeitbasis”. Erfahrungen in der “Kaltakquise” soll er oder sie mitbringen. “Bildungsabschluss: nicht relevant” heißt es weiter und “Telefonverkauf: sehr gut”.