Tape-Konvertierung gegen das virtuelle Vergessen

Wenn der Prüfer zweimal klingelt: Wo sind nur diese Buchhaltungsdaten aus den Jahren 1985 bis 1989? Vielleicht auf diesen seltsamen schwarzen Kassetten im Keller. Leider passen sie nicht mehr in den neuen schicken Tape-Roboter. Was nun?

silicon.de: Wo liegt denn bei der Formatierung alter Datensysteme die Schwierigkeit? Wie gehen sie üblicherweise bei einer Datenrettung vor?

Hilt: Da geht man üblicherweise so vor, dass wir zunächst analysieren, was überhaupt in den Archiven ist. Wenn ein Kunde 18 Jahre alte Bänder hat, dann haben ja meistens auch die IT-Leute schon den dritten Generationswechsel hinter sich und man hat niemanden mehr im Unternehmen, der überhaupt weiß, was alles auf den Bändern drauf ist.

silicon.de: Eine schwierige Situation.

Hilt: Ja, durchaus. Wir schauen uns dann ein paar Bänder an und prüfen die Daten, die darauf gespeichert sind. Manchmal kennen wir die Dateitypen schon, manchmal sind es aber auch proprietäre, selbstentwickelte Dateiformate, wo man zuerst einmal vor einem Rätsel steht. Dann müssen wir mit dem Kunden zusammenarbeiten und herausfinden, was denn dieses Format überhaupt bedeutet, wie es aufgebaut ist und was dahinter steckt. Hier kann man vielleicht anhand von alten Ausdrucken Rückschlüsse ziehen auf Datenbankfelder. Oder man findet vielleicht noch jemanden im Unternehmen, der in der Lage ist, ein paar Worte dazu zu sagen. Vielleicht findet man auch noch die Programmierfirma, die da in Restbeständen irgendwo existiert, um diese Informationen zu sammeln und dann diese Informationen in die neue Datenbank einzubringen. Das erfordert ein Mitwirken des Kunden. Der muss schließlich auch prüfen, ob diese Daten, die wir gewandelt haben, in seinem neuen z.B. SAP-Umfeld auch laufen, oder ob wir noch weitere Modifikationen durchführen müssen, bis die Daten in einem brauchbaren Format sind.

silicon.de: Jetzt mal von der physikalischen Seite gefragt: Wenn es darum geht, 18 Jahre alte Cartridges auszulesen, haben Sie ein kleines Museum mit alten Geräten?

Hilt: Wir haben schon allein für die Datenrettung über die letzten zehn Jahre hinweg Geräte gesammelt. Das heißt, wir haben tatsächlich verschiedene Geräte und gerade in Deutschland extrem viele Geräte vor Ort. Wir haben aber auch die Möglichkeit im Ausland weitere Geräte anzufordern, wenn das besondere Exoten sind, die man nur zwei Mal in der Welt im Einsatz hat. Wenn wir ein Gerät überhaupt nicht bekommen können, dann gibt es auch die Möglichkeit, über kleinere Museen oder private Sammler die Geräte auszuleihen.

silicon.de: Das klingt ja schon fast nach Detektivarbeit.

Hilt: Die größte Herausforderung liegt in solchen Fällen nach Erhalt der Geräte, die Schnittstellen zu beherrschen. Es gibt für alte Geräte üblicherweise keine Schnittstellen oder keine Treiber mehr. Da müssen wir zum Beispiel Konverter bauen. Es gibt hier teilweise schon Hardware auf dem Markt – wenn nicht, dann haben wir mit unserer Entwicklungsabteilung die Möglichkeit recht viel selbst zu machen.

silicon.de: Wie zeitintensiv ist so ein Projekt?

Hilt: Meistens ist es leider so, dass ein Kunde dann agiert, wenn er eine Prüfung vor der Tür stehen hat, oder die Daten aus anderen Gründen dringend benötigt. Dann steht er natürlich unter Druck, das schnell zu machen und dann müssen wir auch mit Hochdruck daran arbeiten. Das bedeutet zugleich, dass es dann deutlich teurer wird, weil wir teilweise Ressourcen aus anderen Projekten abziehen müssen.

silicon.de: Offenbar gibt es da bessere Wege?

Hilt: Mit einem guten Datenmanagement-Konzept kann man so etwas in weiser Voraussicht vorplanen. Und dann geht es natürlich auch zu kostengünstigeren Preisen. Man kann auch, solange das System noch kein “Museumssystem” ist, eine Konvertierung mit eigenen Mitteln durchführen. Eine andere Möglichkeit ist es, die Bänder frühzeitig an einen externen Anbieter zu geben, der diese Konvertierung mit relativ aktuellen Geräten machen kann. Dann brauche ich in 20 Jahren am Tag X nicht alles nachholen und nicht annähernd so viel Geld zu bezahlen.

silicon.de: Also eine vernünftige Planung kann einem gegebenenfalls viel Geld sparen?

Hilt: Das Problem ist, dass dieses Thema in vielen Firmen nur in Bruchstücken aufgesetzt wird. Denn ich muss ja das Unternehmen als solches verstehen. Man muss sich fragen, welche internen, welche externen Daten gibt es überhaupt? Zum Beispiel E-Mails: Auch das sind Daten, die “produziert” werden und gegebenenfalls archiviert werden müssen. Und dann muss ich die Daten kategorisieren: welche Daten sind relevant, welche muss ich archivieren. Welche Daten unterliegen dem Datenschutz und sind hier auch zu verschlüsseln? Dann bekommen auch die Daten einen Zeitstempel aufgedrückt, das heißt die Daten bekommen ein “Verfallsdatum”. Alle paar Jahre muss man dann in einem Audit prüfen: Was habe ich in meinen Archiven an Daten? Kann ich die noch weitere drei Jahre liegen lassen? Oder muss ich damit heute schon etwas tun, damit man auch dem Gesetzgeber und den internen Richtlinien gerecht wird. Natürlich muss man dafür sorgen, dass andere Daten beseitigt werden, damit einem nicht irgendwann Daten “um die Ohren fliegen”, die ich eigentlich gar nicht mehr hätte aufbewahren müssen.