Kritik an Berners-Lee: Business braucht Silos

Web-Experten, Analysten und andere Venture-Financiers widersprechen dem Erfinder des World Wide Web bei seiner Kritik an Facebook, LinkedIn und Friendster. Wobei sich die Kritik nicht gegen seine Analyse richtet, sondern nur an dessen Schlussfolgerungen.

Kaum sind die mahnenden Worte vom Internet-Vater Tim Berners-Lee über die neuen Web-Silos verhallt, da regt sich Kritik an seinen Warnungen. “Ich denke, dass Sir Berners-Lee eine exzellenter Ingenieur ist, aber die Business-Welt scheint nicht seine Stärke zu sein”, spottet Brian Williams, Partner bei Acacia-Ventures in New York.

Williams ist mit seiner Meinung nicht alleine, viele Web-Experten, Analysten und andere Venture-Financiers widersprechen dem geadelten Erfinder des World Wide Web. Wobei sich die Kritik nicht gegen seine Analyse richtet, sondern nur an dessen Schlussfolgerungen. “Natürlich ist das Web heute eine Handels-Plattform und keine kostenfreie Tauschbörse für Idealisten; und zum Business gehören bekanntlich drei ‘Vs’: Verlässlichkeit, Vertrauen und Verdienen”, meint Angela Trice, Analystin beim Brokerhaus Ohm & Doll. Damit richtet sich ihr Widerspruch vor allem gegen die von Berners-Lee angeprangerten Silos Facebook, LinkedIn und Friendster, von denen Berners-Lee verlangt, dass sie ihre Daten allgemein zugänglich, und nicht nur für Werbezwecke nutzen sollen.

Dieser Punkt von Berners-Lees Mahnung ist in der Tat völlig unbegründet. Kein Mensch wird gezwungen, seine Daten und Fotos auf den Social-Network-Seiten zu posten. Wer sich uneingeschränkt öffentlich exponieren will, kann sich eine Blogsoftware installieren und unter seiner selbst gewählten Domain so viel ins Netz stellen wie er will. In diesem Zusammenhang sollte sich Tim Berners-Lee einmal Gedanken darüber machen, warum die Leute ihre Daten lieber beim abgeschotteten Facebook einstellen, als direkt ins Web. Dann würde er sehr schnell darauf kommen, dass das an der User-Unfreundlichkeit des Internets liegt.

“Der Enduser benötigt eine einfache verständliche Oberfläche und er will zumindest teilweise darüber entscheiden, mit wem er in Kontakt bleiben will – beides ist im offenen Web nicht möglich. Oder soll sich jeder eine Web-Design-Software installieren und dann selbst mit Flash-Animationen experimentieren?”, lautet die rhetorische Frage von George Yu, von der New York University.

Auch dass die Nutzung von Persönlichkeitsprofilen für Werbezwecke unlauter und verwerflich sei, wird als unzutreffend angesehen: “Die User erwarten heute nur noch Werbe-Einblendungen, die für sie relevant sind – alles andere ist per Definition Spam”, meint beispielsweise Mike Zaneis. Er ist der Hausanwalt des Verbandes der Online-Werbeportale, IAB. Dazu verweist er auf eine von seinem Verband durchgeführte Studie, wonach bereits über 80 Prozent aller Online-Anzeigen zielgerichtet sind. “Wer kein Haustier hat, will auch keine Werbung für Katzenfutter oder Hundespielzeug, und wer Vegetarier ist, der ärgert sich über jede Steak-Werbung”, lautet seine Erklärung.

Eine besonders deutliche Abfuhr bekommt Berners-Lee vom Web-Kommentator Chin Wong: “Wenn heute immer noch alles im Web offen und frei zugänglich wäre, gäbe es noch immer kein Online-Shopping, kein Online-Banking und keinen Schutz vor Web-Attacken”, sagte er in einer TV-Show. Er verteidigte auch den von Berners-Lee attackierten iTunes-Dienst. “Vorher gab es Napster und tausende Prozesse durch die Musik-Industrie. MP3 gibt es immer noch; warum also ist iTunes erfolgreicher? – Weil die User nicht kriminell sein wollen und weil sie eine problemlose End-zu-End-Lösung gegenüber einem komplizierten und möglicherweise gefährlichen Vorgehen vorziehen”, lautet seine Einschätzung.

Lesen Sie auch : Praxishandbuch KI und Recht