Mainframe: “Datenserver der Cloud”

Uwe Behley, Mainframe-Experte und seit März Geschäftsführer von BMC Software Deutschland, sagt im silicon.de-Interview, wie es sich mit dem Mainframe-Quasi-Monopolisten IBM zusammen arbeitet und warum BMC keine Angst vor der Cloud hat.

silicon.de: BMC Software hat Anfang April mehr als 20 Mainframe-Service-Management-Produkte veröffentlicht, die IBM ‘DB2 10 for z/OS’ unterstützen. Wie viel Prozent seines weltweiten Geschäftes macht BMC mit Lösungen für den Mainframe?

Uwe Behley, Bild: BMC
Uwe Behley, Bild: BMC

Behley: Der Geschäftsbereich Mainframe Service Management bei BMC Software erwirtschaftete in den vergangenen Jahren zirka 40 Prozent des BMC-Gesamtumsatzes. Das sind bei rund 2 Milliarden Dollar Umsatz um die 800 Millionen Dollar für das Mainframe-Geschäft. Das ist beachtlich und zeigt, wie wichtig der Mainframe nach wie vor in den IT-Organisationen ist.

Erst kürzlich haben wir die Zusammenarbeit mit der Huk-Coburg Versicherungsgruppe bekanntgegeben. Dort wird mit unseren Mainframe-Service-Management-Lösungen die Produktivität der Datenbanken gesteigert. Wir gehen davon aus, dass viele bestehende Mainframe-Nutzer in diesem Jahr dem Beispiel folgen und wir in den nächsten zwei Jahren auf 1 Milliarde Dollar Umsatz kommen.

silicon.de: IBMs Rolle im Mainframe-Geschäft ist umstritten. Nach Angaben der Computer and Communications Industry Association (CCIA) verwenden 95 Prozent der 1000 größten Unternehmen IBM-Mainframes. Die EU-Wettbewerbshüter haben Kartelluntersuchungen eingeleitet. Wie arbeitet es sich mit einem Quasi-Monopolisten zusammen?

Behley: Die Kartelluntersuchungen stehen bei den Geschäftsbeziehungen zwischen BMC und IBM nicht im Vordergrund. Bei BMC definieren wir diese Geschäftsbeziehung eher als Coopetition – als Kombination von Competition und Cooperation. IBM ist für viele unserer Kunden heute Outsourcer und damit auch unser Verhandlungspartner. Das heißt, IBM betreibt für ihre Kunden BMC Software, um selbst als Service Provider Kosten zu sparen.

Gleichzeitig hat IBM allerdings vor zirka zehn Jahren damit begonnen, Zusatzwerkzeuge zur DB2 for z/OS-Datenbank zu entwickeln und zu vertreiben und steht damit direkt mit uns in Konkurrenz. Zudem nutzt das IBM-DB2-for-z/OS-Entwicklungslabor in Kalifornien unser Know-how bei der Qualitätssicherung neuer DB2-Versionen im Rahmen der Betatests. Wir haben durch diese frühen Betatests neuer DB2-Versionen genug Zeit, unsere eigenen Lösungen für die jeweilige DB2-Version fit zu machen und unseren Kunden zeitnah zur Verfügung zu stellen.

silicon.de: Könnte es auf BMC abfärben, wenn IBM auf Druck der Wettbewerbshüter Marktanteile verliert?

Behley: Wenn es sich um die z/OS Mainframe-Plattform handelt, kann sich das langfristig sicherlich auswirken. Die BMC Mainframe Service Management-Lösungen beschränken sich allerdings nicht nur auf die IBM Mainframe-Plattform. Unsere Middleware und Transaktions-Management-Lösungen laufen natürlich auch auf Unix, Linux und Windows, und unsere unternehmensweite Jobautomationslösung Control-M steht auch auf allen handelsüblichen Computer-Plattformen zur Verfügung. Das sind zwei Wachstumssegmente, die uns vom klassischen IBM-Mainframe-Markt unabhängiger machen.

silicon.de: Oracle hat jüngst die Middleware ‘Tuxedo 11g’ veröffentlicht, um IBM-Kunden auf günstige x86- oder Unix-Hardware-Cluster zu locken. Was bedeutet das für BMC?

Behley: Im Prinzip eine weitere Integrationsmöglichkeit, aber sicher keine Konkurrenz. Tuxedo ist keine von BMC direkt unterstützte Technologie. Es gibt aber immer die Möglichkeit, über unsere offene Architektur (API) individuell Techniken wie Tuxedo einzubinden und daraus dann eine komplexe Prozesslogik zu entwickeln und mit anderen Middleware-Komponenten zu korrelieren.

Durch die Middleware-Management-Integration mit den IBM-Mainframe-Monitoren von BMC-Mainview wird ein genaues Abbild- und Alarmierungsszenario im Sinne des Anwenders erstellt. Dabei spielt die genutzte Technologie nur eine sekundäre Rolle, das Unternehmen kann mit BMC-Middleware-Management alle Techniken nutzen und wechseln, wie die Unternehmensstrategie auch im Moment ausgerichtet ist und sich wieder verändern kann. Wir gehen mit und unterstützen.

silicon.de: Die neuen BMC-Lösungen enthalten erweiterte Kapazitäten für die Nutzung von ‘System z Integrated Information Processor’ (zIIP). Worum geht es dabei?

Behley: Seit einiger Zeit wird versucht, MIPS-Kosten zu reduzieren. Ein MIPS steht für ‘Million instructions per second’ und gibt an, wie viele Maschinenbefehle ein Mikroprozessor pro Sekunde ausführen kann. Es gibt also die Prozessorkapazität beziehungsweise die Leistungsfähigkeit der CPU an. Je höher die MIPS- beziehungsweise CPU-Auslastung, desto höher die Lizenzkosten für Software. Daher wollen IT-Leiter die CPU-Auslastung reduzieren und Kosten sparen. Das gelingt mit der Auslagerung von Workload auf den ‘IBM System z Integrated Information Processor’, den so-genannten zIIP.

Dieser Spezialprozessor übernimmt bestimmte Arbeiten von den regulären Prozessoren und entlastet ihn. ZIIPs werden bei der Berechnung der Maschinenleistung oder MSU-Rate (Million Service Units) nicht mitgerechnet, wodurch sich die Softwarekosten bei der Anschaffung eines zIIPs nicht erhöhen. Der kostengünstige zIIP gibt IBM die Möglichkeit, Applikationen auf Non-IBM-Hardware zum IBM-Mainframe zu migrieren – und das ohne Software-Mehrkosten.

silicon.de: Haben Sie ein Beispiel?

Behley: Bei einem zIIP liegen die Kosten zwischen 150 und 200 Dollar per MIPS verglichen mit 2254 bis 3367 Dollar für einen Generalprozessor. Darüber hinaus laufen zIIPs immer mit maximaler Geschwindigkeit, während die übrigen CPUs unter Umständen je nach Rechnerleistung gedrosselt werden. Einer unserer deutschen Kunden hat 30 Prozent der BMC-MainView-Workload auf den existierenden zIIP-Prozessor ausgelagert, wodurch Generalprozessorkapazität für andere Geschäftsaufgaben verfügbar wurde.

silicon.de: Neu sind zudem der SQL Performance ‘Workload Compare Advisor’ und der ‘Workload Index Advisor’. Wozu dienen diese Lösungen?

Behley: DB2-Administratoren haben eine Vielzahl von komplexen Applikationen und DB2-Datenbanksysteme zu managen. Änderungen in diesen Applikationen, und daher auch in der SQL und der darunterliegenden Datenbankstruktur bedeuten Zeitaufwand und Kosten. Zu oft wird durch solche Änderungen die Performance von einzelnen DB2-Transaktionen beeinträchtigt und erst nach dem Produktionseinsatz entdeckt. ‘Workload Compare Advisor’ liefert dem Datenbankadministrator ein Werkzeug, mit dem er aus der Vielzahl der SQL-Transaktionen diejenigen identifiziert, die Performance-Probleme verursachen.

‘Workload Index Advisor’ analysiert ganze DB2-Applikationen und schlägt dem Administrator die optimalen DB2-Indizes vor. Auch hier spielen Änderungen in der Applikation die ausschlaggebende Rolle. Neue Applikationslogik bedarf Änderungen im DB2-Index-Design. Es ist manuell unmöglich, für tausende SQL-Transaktionen festzustellen, welche Indizes geändert, neu definiert oder gelöscht werden sollen.

silicon.de: Wie sehen Sie generell die Zukunft des Mainframe? Immer mehr Unternehmen bringen ihre Anwendungen in die Cloud. Eigentlich brauchen doch nur noch die Cloud-Anbieter Mainframes?

Behley: Der Mainframe wird auch in der Cloud eine Rolle spielen, vor allem als Datenserver. Viele Unternehmen werden anfänglich mit so genannten Private Clouds arbeiten und den vorhandenen Mainframe einbinden. Dafür ist BMC bereits bestens aufgestellt. Außerdem liefern heute schon Service Provider viele Outsourcing-Dienstleistungen für unsere Mainframe-Kunden. Es ist anzunehmen, dass diese großen Outsourcer auch Cloud-Anbieter sein werden – und damit ihre langjährigen Geschäftsbeziehungen zu uns weiter nutzen werden.