Xing als Geschäftsgeheimnis?

Immer wieder werfen die neuen Medien rechtliche Fragen auf, die es so bislang einfach noch nicht gab. Ein Beispiel dafür ist auch die Frage, wem eigentlich die Kontakte auf einem Business-Netzwerk wie Xing gehören. Rechtsanwalt und Recht 2.0-Experte Carsten Ulbricht geht in seinem Beitrag dieser Frage nach. Die zentrale Frage dabei ist, ob es sich bei solchen Kontakten um ein Betriebsgeheimnis handelt.

Bereits in 2010 hatten wir in dem Blogbeitrag  „Pflicht zur Herausgabe des XING-Accounts bei Arbeitsplatzwechsel ?“ einige rechtliche Fragen adressiert, die sich nun in Zeiten wachsender Nutzung und Bedeutung der Sozialen Medien mehr und mehr realisieren.

So hatte das Arbeitsgericht Hamburg in seinem Urteil (Az.: 29 Ga 2/13) kürzlich darüber zu entscheiden, ob ein Softwareunternehmen einer ehemalige Mitarbeiterin aus dem Bereich „IT-Beratung und Projektmanagement“ gerichtlich verbieten kann, bestimmte Daten der Kontakte aus ihrem XING-Profil für sich oder für Dritte (konkret den neuen Arbeitgeber) zu verwenden. Dabei hatte sich der ehemalige Arbeitgeber auf § 17 Abs.2 Nr.2 UWG (= Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) berufen, wonach es verboten ist, Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse unbefugt zu verwerten oder jemandem mitzuteilen.

Das Arbeitsgericht hatte also zu entscheiden, ob geschäftlich veranlasste XING-Kontakte stets als Geschäftsgeheimnis zu werten sind, was in vielerlei Hinsicht zu einigen gravierenden Folgen führen würde. Zum einen könnte der Arbeitgeber damit maßgeblich über die (Weiter-)verwendung von XING-Kontaktdaten auch nach dem Weggang vom Unternehmen entscheiden, zum zweiten wäre zu definieren, inwieweit XING-Mitglieder die Daten geschäftlich relevanter Kontakte in dem Netzwerk überhaupt für Dritte freischalten können (bzw. dürfen).

Tatsächlich dürfte die Frage, iniwieweit XING-Kontakte, die ein Arbeitnehmer bei einem Unternehmen „erarbeitet“ hat, dann auch noch verwendet werden dürfen, wenn dieser Mitarbeiter das Unternehmen verlässt und etwas zu einem Wettbewerber wechselt. Mit der nachfolgenden Entscheidung des Arbeitsgericht Hamburg liegt – soweit ersichtlich – erstmals eine gerichtliche Beurteilung dieser wichtigen Problemstellung vor.

A. Die Entscheidung des Arbeitsgericht Hamburg

Das Arbeitsgericht Hamburg definiert den Begriff des Geschäftsgeheimnisses zunächst richtig als,

„jede im Zusammenhang mit einem Betrieb stehende Tatsache, die nicht offenkundig, sondern nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt ist und nach dem bekundeten, auf wirtschaftlichen Interessen beruhenden Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden soll (BGH vom 26.02.2009 – BGH Aktenzeichen IZR2806 I ZR 28/06, Rn. 13 bei juris m. w. N.). Kundendaten eines Unternehmens können ein Geschäftsgeheimnis darstellen, wenn sie Kunden betreffen, zu denen bereits eine Geschäftsbeziehung besteht und die daher auch in Zukunft als Abnehmer der angebotenen Produkte oder Dienstleistungen in Frage kommen. Dabei darf es sich nicht lediglich um Angaben handeln, die jederzeit ohne großen Aufwand aus allgemein zugänglichen Quellen erstellt werden können (BGH a. a. O). Auch auf XING-Profilen gespeicherte Kundendaten können Geschäftsgeheimnisse eines Arbeitgebers des diese Daten speichernden Arbeitnehmers sein.“

Das Softwareunternehmen hatte vorgetragen, dass die ehemalige Mitarbeiterin nun ja die Daten von Kunden des Softwareunternehmens bzw. deren Ansprechpartner „mitgenommen“ habe und nun für den Wettbewerber einsetzen könne.

Das Arbeitsgericht hatte daher zu entscheiden, ob die im XING-Profil bei jedem hinterlegten Daten der Kontakte, soweit sie Kunden des ehemaligen Arbeitgebers betreffen, als schützenswertes Geschäftsgeheimnisse zu werten sind.

Das Arbeitsgericht Hamburg verneinte in dem vorliegenden Fall die Annahme eines Geschäftsgeheimnisses. Dieses Ergebnis beruht aber wohl nur darauf, weil nicht hinreichend dargelegt worden war, dass die Kontaktaufnahme mit den benannten Kontakten auch geschäftlich veranlasst gewesen sei. Eine geschäftliche Kontaktaufnahme sei nach Auffassung des Gerichts nur dann anzunehmen, wenn diese im Zusammenhang mit der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit gestanden hätten und auch die Kontaktpartner bei der Kontaktaufnahme für ihren jeweiligen Arbeitgeber gehandelt hätten.

Hierzu hatte das Softwareunternehmen aber wohl keine hinreichenden Angaben gemacht, was in diesem Fall zur Abweisung der Klage geführt hat.

Eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht, entsprechende Daten zu verwenden, würde vom Arbeitsgericht Hamburg ebenfalls verneint.

B. Folgerungen aus dem Urteil – XING-Kontakte können Geschäftsgeheimnisse sein

Das Arbeitsgericht scheint davon auszugehen, dass Geschäftsgeheimnisse zumindest dann anzunehmen sind, wenn die Kontaktaufnahme mit möglichen Geschäftspartnern zur arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit des Arbeitnehmers gehört (z.B. typischerweis bei Vertriebsmitarbeitern) und die Vernetzung auch im Hinblick auf den Kontaktpartner im geschäftlichen Kontext steht. Hier wird versucht, eine Abgrenzung zu Kontaktaufnahmen, die eher im privaten Kontext stehen, zu definieren.

Bei der Frage, ob ein Unternehmen die (Weiter-)Verwendung von Kontaktinformationen in den Sozialen Medien verbieten kann, kommt es zentral darauf an, in welchem Kontext die jeweilige Kontaktaufnahme erfolgt ist. Erfolgt diese seitens eines der beiden Kontaktpartner eher mit privatem Hintergrund, soll auch der Arbeitgeber keinerlei Einfluss auf diese Daten haben. In zahlreichen Fällen hat die Vernetzung gerade über XING oder Linkedin aber tatsächlich allein eine geschäftlichen Hintergrund und Zweck. Auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung sind Ansprüche im Bezug auf diese Kontaktdaten (z.B. Herausgabe oder Verbot der Verwendung) durchaus wahrscheinlich.

C. Handlungsempfehlungen für Unternehmen

Die weiter wachsende Nutzung von XING, Facebook & Co wirft im Hinblick auf die zunehmende Vermischung privater und geschäftlicher Belange zahlreiche neue Sach- und Rechtsfragen auf. Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist es bereits aus Transparenzgesichtspunkten sinnvoll vielleicht sogar fast schon zwingend, rechtzeitig klare „Leitplanken“ einzuziehen. Dies gilt auch und gerade für Unternehmen, die auf den Schutz ihrer geschäftlichen Kontakte angewiesen sind und den Schutz auch in den Sozialen Medien gewährleisten wollen, ist im Hinblick auf dieses Urteil zu raten, entsprechende Vorsorge zu treffen.

Denkbar sind insoweit einzelvertragliche Regelungen (z.B. im Arbeitsvertrag) oder klare Angaben in sogenannten Social Media Guidelines (siehe hierzu auch die Beitragsreihe “Social Media Guidelines & Recht – Warum Unternehmen und Mitarbeiter klare Richtlinien brauchen” oder den Fachaufsatz “Social Media Guidelines – Regeln für das digitale Miteinander” ). In größeren Unternehmen kann die Regelung des ganzen „Problemkreises Social Media“ in einer Betriebsvereinbarung Sinn machen.

Der dienstliche Einsatz von Sozialen Netzwerken und anderen modernen Internetmedien macht nach unserer Erfahrung vor allem dann Probleme, wenn eine unklare Gemengelage vorliegt. Es sollte deshalb klar geregelt werden, wer, was, wann und wie jeweils nutzen darf. Dabei kann es aber nicht so sein, dass die Nutzer Sozialer Medien mit dem Ende ihres Arbeitsverhältnisses auch ihre „elektronische Identität“ beim Arbeitgeber hinterlassen müssen. Vorzugswürdig scheint eine interessengerechte (aber ausdrückliche) Regelung, die festschreibt, was und welche Informationen bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisse herausgegeben werden müssen. Im Hinblick auf die obenstehende Entscheidung scheint es unter anderem sinnvoll, dass Unternehmen im Arbeitsvertrag klar definieren, wenn die Kundenakquise und Kontaktaufnahme mit Dritten zur Tätigkeit des Mitarbeiters gehört und vielleicht auch eine Pflicht mit aufnehmen, nach der Kundendaten (neben der Vernetzung über XING, Linkedin & Co) stets auch im lokalen Adressverzeichnis des Unternehmens abzulegen sind. Die Erfahrung aus der Beratung verschiedenster Unternehmen zeigt, dass solche Problemkreise vermehrt adressiert und einer sinnvollen Lösung zugeführt werden sollen.

Dabei sind insbesondere die oben schon angedeuteten und von der Rechtsprechung bestätigten Interessen des Arbeitgebers miteinzubeziehen, dass die Informationen, die bei ordnungsgemäßer Organisation für die weitere Tätigkeit notwendig sind auch am Arbeitsplatz hinterlassen oder herausgegeben werden müssen.

Weiterführend:

Pflicht zur Herausgabe des XING Accounts bei Arbeitsplatzwechsel ?

Wem gehören Twitter Follower beim Arbeitgeberwechsel – Rechtsstreit in den USA und Einschätzung nach deutschem Recht

Interview in der ZEIT Online “Verbote sind keine Lösung”
Social Media Guidelines & Recht – Warum Unternehmen und Mitarbeiter klare Richtlinien brauchen (Teil 1)
Social Media Guidelines & Recht – Kritische Analyse der SAP Social Media Participation Richtlinien (Teil 2) 
Social Media Guidelines & Recht – Praxishinweise zur Einführung von Richtlinien (Teil 3)

– See more at: http://www.rechtzweinull.de/archives/1162-social-media-kontakte-als-geschaeftsgeheimnis-unternehmen-will-ex-arbeitnehmerin-gerichtlich-die-verwendung-von-xing-kontakten-verwenden.html#sthash.4BmgX9cw.dpuf