Unbefriedigendes Urteil des EuGH zum Betrieb offener WLANs
Das hat der Europäische Gerichtshof heute entschieden. Damit sind alle gewerblichen Betreiber öffentlicher WLAN – nicht nur Provider – aus der Störerhaftung entlassen. Allerdings können Urheberrechtsinhaber verlangen, dass das WLAN durch ein Passwort gesichert wird und die Identität der Nutzer festgestellt wird.
Gewerbliche Betreiber öffentlicher WLANs fallen nicht unter die Störerhaftung. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) jetzt entschieden. Er folgt damit weitgehend der von Generalanwalt Szpunar im Frühjahr vorgetragen Ansicht, wonach sie lediglich als Anbieter sogenannter Dienste der reinen Durchleitung anzusehen und somit nicht haftbar sind.
Das Urteil lässt aber immer noch einige Fragen rund um den Betrieb öffentlicher WLANs und schafft nach Ansicht von Beobachtern neue Rechtsunsicherheiten. Die Große Koalition verständigte sich dieses Jahr, nachdem die CDU/CSU ihren Widerstand aufgegeben hatte, bereits auf Abschaffung der Störerhaftung auch für private WLAN-Anbieter durch ein modifiziertes Telemediengesetz.
Der vor dem EuGH verhandelte Fall wurde allerdings bereits zuvor beim Landgericht München verhandelt. Dabei ging es um eine Abmahnung gegen den Veranstaltungstechniker Tobias McFadden, die dieser aufgrund einer durch einen unbekannten Nutzer begangene Urheberrechtsverletzung erhalten hatte. Nachdem der Unbekannte über ein von McFadden bereitgestelltes offenes WLAN eine urheberrechtlich geschützte Musikdatei per Filesharing getauscht hatte, war der Veranstaltungstechniker von der Sony Music Entertainment Germany GmbH als Störer kostenpflichtig abgemahnt worden. Dagegen klagte er. Das Münchner Gericht legte dem Fall dem EuGH vor um zu erfahren, ob die in Deutschland gültige, auf Vorgaben des Bundesgerichtshofs beruhende WLAN-Störerhaftung, mit europäischem Recht vereinbar ist.
Die vielen “Aber” des Urteils
Die obersten europäischen Richter bestätigten McFadden jetzt, dass er für die rechtswidrige Handlung Dritter nicht haftet, da er an ihnen nicht beteiligt war. Der Urheberrechtsinhaber habe daher keinen Anspruch auf Schadenersatz gegen ihn. Sony kann zudem nicht verlangen, dass er die Abmahn- und Gerichtskosten trägt.
Allerdings darf der Urheberrechtsinhaber laut EU-Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr eine behördliche oder gerichtliche Anordnung beantragen, die dem WLAN-Anbieter bestimmte Maßnahmen auferlegt, um gegen Urheberrechtsverletzungen zu vermeiden. Die Richter denken da etwa an eine Anordnung, mit der dem Anbieter die Sicherung Zugangs durch ein Passwort auferlegt wird. Dafür müssten Nutzer aber ihre Identität preisgeben, um das erforderliche Passwort zu erhalten.
Tobias McFadden sieht das Urteil als Teilerfolg. Das Verfahren gehe jetzt am Landgericht München weiter. Allerdings gibt er auch zu bedenken: “Das Urteil wirft mehr Fragen auf, als es beantwortet. Der Kampf für Freie Netze wird jetzt erst richtig beginnen!”
Laut Julia Reda, Europaabgeordneter der Piraten, zeigt das Urteil, dass keine Digitalstrategie daran vorbeikommt, die Probleme des Urheberrechts anzugehen: “Noch gestern hat EU-Kommissionspräsident Juncker uns versprochen, dass bis 2020 alle europäischen Städte und Dörfer mit freiem WLAN versorgt werden. Heute macht die Komplexität des Urheberrechts diesem Ziel bereits einen Strich durch die Rechnung.”
Piraten-Datenschutzexperte Patrick Breyer bezeichnete den geforderten Passwort- und Identifizierungszwang als “vorgestrig” und einen “technologiefeindlichen Kniefall vor der Urheberrechtslobby”: “Nach dieser Logik müssten auch Telefonzellen und Briefkästen mit einem Identifizierungszwang versehen werden.” Breyer empfiehlt als Lösung, Urhebern durch eine Pauschalvergütung ähnlich der Geräteabgabe entgegenzukommen.
Der Verein Digitale Gesellschaft e. V. sieht das ähnlich. Der EuGH habe neue und kaum zu überwindende Hürden für die Betreiber offener Funknetze aufgebaut. Die flächendeckende Versorgung mit offenen Netzzugängen rücke damit in weite Ferne. “Völlig unklar bleibt nämlich, wie diese Identitätsfeststellung erfolgen soll und wie lange und in welcher Weise die Daten aufbewahrt werden müssen”, argumentiert der politische Geschäftsführer Volker Tripp. “Muss ich im Café demnächst meinen Ausweis vorlegen und einscannen lassen, um an das WLAN-Passwort zu gelangen?”
[mit Material von Bernd Kling, ZDNet.de]