Heinrich Welter

ist Vice President Sales und General Manager für die DACH-Region bei Genesys Telecommunications Laboratories.

Multitalent KI – vier Wege, um künstliche Intelligenz im Kundenservice zu nutzen

Digitale Daten gibt es wie Sand am Meer, doch 75 Prozent dieser Daten bleiben laut Gartner ungenutzt und werden nicht herangezogen, um bessere Geschäftsentscheidungen zu treffen – eine Verschwendung von Ressourcen.

Unternehmen, die diese Daten nutzbar machen wollen, benötigen die passenden Technologien. Doch es mehren sich nicht nur Jubelrufe, sondern auch ängstliche Stimmen, die beispielsweise fürchten, künftig nur noch mit Maschinen ohne Empathie und menschliche Wärme zu kommunizieren. Was KI im Kundenservice alles kann und wie der gewisse Human Touch trotzdem erhalten bleibt, zeigen die folgenden vier Möglichkeiten rund um das Multitalent KI.

Künstliche Intelligenz (Bild: Shutterstock)

KI-basiertes Routing als Mittel zum Erfolg

Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen sind zu einem wichtigen Faktor bei der Realisierung des Potenzials von Big Data geworden. Ein Beispiel: Ein Unternehmen in einem wettbewerbsgetriebenen und gesättigten Markt hat damit zu kämpfen, dass Kunden das Unternehmen in einer alarmierend hohen Zahl verlassen. Gleichzeitig schießen die Kosten in die Höhe, mit denen die Kunden noch gehalten werden können. Das Management ist alarmiert und es gilt, zu handeln.
Traditionelle Methoden, um Kunden zu halten, wie beispielsweise Bundles, Upgrades und vergünstigte Abonnements schmälern häufig nur die Gewinne. Zudem werden in solchen Fällen so genannte „Save desks“ ins Leben gerufen, um Kunden abzufangen bevor sie das Unternehmen verlassen. Aber selbst mit diesen Systemen verliert das Unternehmen meist kontinuierlich Kunden.

Das Management begibt sich dann auf die Suche nach potenziellen Gründen für die Abwanderung der Kunden und ist dabei zuweilen von den Ergebnissen überrascht. Manche Mitarbeiter zeigen eine starke Performance im Umgang mit frustrierten Kunden, während andere nicht überzeugen. Die Führungskräfte wundern sich über diese unterschiedliche Performance – schließlich haben sie jahrelang in Mitarbeitertraining und -engagement investiert. Eigentlich sind ihre Mitarbeiter doch die besten in der Branche.

Mithilfe von KI und maschinellem Lernen für die Customer Experience lassen sich nun Muster in Mitarbeiter- und Kundenaktivitäten entdecken. Ein Großteil dieser verborgenden Daten kann dann mithilfe von Analysen in Erkenntnisse transformiert werden, aus denen das Management konkrete Entscheidungen ableiten kann. Zunächst werden die Mitarbeiter identifiziert, die besonders gut darin sind, Kunden mit einem bestimmten Profil zu halten. Findet die KI eine solche Korrelation, lassen sich die Informationen eines Mitarbeiterprofils mittels KI-basiertem Routing mit einem passenden Kunden zusammenbringen, der das Unternehmen kontaktiert. So gelingt der optimale Match für das spezifische Problem des Kunden auf einem spezifischen Kanal. Im Wesentlichen verwendet dieses Prinzip Muster in den Daten, um Kunden mit dem jeweils idealen Mitarbeiter zu verbinden.

Auf diese Weise kann das KI-unterstütze Routing auch angepasst werden, wenn sForresterich das Verhalten vom Kunden dem Mitarbeiter gegenüber ändert. Zudem hilft die Identifizierung von Zusammenhängen in Daten dabei, die Geschäftsziele kontinuierlich zu erreichen – selbst in unbeständigen und widrigen Märkten.
Verborgene Daten durch KI nutzbar zu machen ist meiner Ansicht nach der beste Weg, um jede Kundeninteraktion zu optimieren, Kosten zu reduzieren, Effizienz im Kundenservice zu verbessern und die Abwanderung von Kunden zu minimieren. Die Technologie hilft auch dabei, die Kundenerfahrung, die Kundenzufriedenheitswerte sowie die First Contact Resolution (FCR) zu verbessern, eine Metrik für Kundenanfragen, die bereits beim ersten Kontakt mit dem Kundenservice gelöst werden konnten. Ein Routing, das auf sehr vielen detaillierten Faktoren basiert, wandelt verborgene Daten in wertvolle Erkenntnisse um, aus denen sich konkrete Entscheidungen ableiten lassen. Außerdem hilft die Technologie den Unternehmen dabei, die Herausforderung Big Data sicher zu meistern – und die Abwanderung von Kunden um bis zu drei Prozent zu reduzieren.

Mehr Self-Service und Automatisierung

Doch KI hilft nicht nur durch Routing im Kundenservice, sondern bietet durch die Kombination mit menschlichen Mitarbeitern in Form von Blended AI noch weitere Vorteile. Eine mögliche Umsetzung einer Blended AI-Lösung ist zum Beispiel Kate, die Personifikation der Genesys KI, Automatisierung und maschinellem Lernen, die Kunden und Mitarbeitern hilft, Probleme schneller und effizienter zu lösen.
Im wettbewerbsgetriebenem Chatbot-Bereich wird Blended AI eingesetzt, um die Qualität von Konversationen zu verbessern und Kosten zu reduzieren. Wenn ein Kunde beispielsweise auf die Unternehmenswebsite klickt, ist es sinnvoll, den Kunden an bestimmten Schlüsselpunkten zu kontaktieren. Blended AI automatisiert diesen Prozess und erhöht damit Effizienz in Marketing und Sales. Durch diese Nutzung von proaktiven Chatbots und Blended AI erhält der Kunde ein zufriedenstellendes Nutzererlebnis und das Unternehmen kann mehr Geschäfte mit geringerem Aufwand abschließen.

Optimale Unterstützung für Mitarbeiter

Durch die Verbindung von künstlicher und menschlicher Intelligenz können die Stärken von beiden optimal genutzt werden. Laut Forrester berichten Unternehmen, die diese Verbindung nutzen, dass ihr Kundenservice über 60 Prozent effektiver in Bezug auf Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit ist. Diese Zufriedenheit der Mitarbeiter ist sehr wichtig und ohne die nötigen Tools, um die Kundenbedürfnisse zu erfüllen, sind Mitarbeiter schnell frustriert und gestresst. KI hilft Mitarbeitern, Kundenanfragen schneller und besser zu beantworten. Dabei kann KI kontinuierlich die Fähigkeiten der Mitarbeiter und den entsprechenden Schulungsbedarf einschätzen, was wiederum bedeutet, dass Unternehmen die Contact Center-Aufgaben mit optimal ausgebildeten Mitarbeitern verstärken können. Außerdem optimiert KI auch die Personaleinsatzplanung und -verteilung, sodass sich die Mitarbeiter auf die Arbeit konzentrieren können, die eine menschliche Komponente erfordert.

KI-gestützte Analytics generieren zusätzlichen Mehrwert

Intelligente Analysen der Interaktionen können eine Vielzahl von Geschäfts-Szenarien unterstützen. Solche Analytics helfen beispielsweise im Sales- und Marketing-Bereich durch das Tracken von Interaktionen, Kampagnenzuordnung, Lead-Scoring und Lead-Engagement. Für Mitarbeiter kann es schwierig sein, zu erkennen, welche Gespräche mit Interessenten zu qualifizierten Leads oder Verkäufen führen – und dann geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Das wirkt sich negativ auf Konversionsraten aus. Eine Lösung dafür bietet die Kombination aus Daten zum Online- und Offline-Engagement, welche in kritischen Situationen in Echtzeit verfügbar gemacht werden. Diese Daten können Unternehmen nutzen, um den richtigen Lead mit dem richtigen Mitarbeiter zu verbinden. Das Ergebnis: Die Mitarbeiter verfügen über mehr Kontextinformationen und können so bessere Gespräche über alle Kanäle führen.

Wenn Mitarbeitern alle relevanten Informationen vorliegen, sind sie in der Lage, aus jeder Interaktion das Beste herauszuholen. Besser ausgestattete Sales-Teams können Chancen gezielt nutzen, um mehr Leads und mehr Vertriebsgespräche zu erzielen.

Multitalent KI mit Human Touch als Wegweiser für die Zukunft

KI ist sicherlich kein Allheilmittel, doch in Verbindung mit einem Team ist es meiner Meinung nach der richtige Weg, um jetzt und in Zukunft optimalen Kundenservice anzubieten. Hierbei gilt es, Chatbots, prädiktives Routing, Orchestrierung und das Team so zu kombinieren, dass sich Interaktionen im Self-Service automatisieren lassen und den Mitarbeitern alle verfügbaren Kontext-Informationen zur Verfügung zu stellen. Wenn Bots Routine-Aufgaben übernehmen, können Mitarbeiter sich komplexen Themen zuwenden, die einen gewissen Human Touch erfordern.



Heinrich Welter ist seit 1. Juni 2016 bei Genesys Telecommunications Laboratories für die Leitung der Geschäfte in der DACH-Region verantwortlich. Welter war bereits von 2009 bis 2013 als Senior Director Strategic Sales bei Genesys. 2013 wechselte Welter als Leiter Vertrieb und Operations zu HFN Medien GmbH, wo er nach kurzer Zeit die Position des Sales Director DACH Nuance Enterprise Division & General Manager HFN übernahm. Vor 2009 hatte Welter die Position als Account Manager bei der im Mai 2006 von Genesys akquirierten VoiceGenie Technologies Inc. (Toronto, Kanada) inne, für die er seit 2002 das Europageschäft aufgebaut hatte. Davor war Heinrich Welter u.a. im Global Account Management bei Oracle und Vignette tätig. Neben langjähriger Vertriebserfahrung verfügt der Autor mehrerer Bücher auch über ein fundiertes technisches Hintergrundwissen.