Hypocrisy on Demand

Auf was Kirchen doch so alles kommen, wenn die Schäfchen wegzulaufen drohen! Die evangelische etwa hat vergangene Woche die gesamte Bibel getwittert. Ein neuer frommer Rekord!

Yahoo widme sich deren Lösung. Über die Dissidenten Wang Xiaoning und Shi Tao heißt es bei Wikipedia, Yahoo habe vor deren Verhaftung “die chinesischen Behörden… mit den entscheidenden Informationen versorgt”. Die Lösung hat in dem Fall wohl darin bestanden, Menschen, die die Redefreiheit für sich in Anspruch nehmen, erst einmal wegzusperren.
Auch deutsche Firmen tun gerne Gutes: “An jedem Tag die Welt ein kleines Stückchen besser machen – als Tochterunternehmen der Unternehmensgruppe Tengelmann nimmt die Kaiser’s Tengelmann AG ihre gesellschaftliche Verantwortung sehr ernst”, schreibt etwa dieses Unternehmen auf seiner Website.

Ein Beispiel: “Seit September 2007 stehen in vielen Berliner Kaiser’s-Märkten neben den Leergutautomaten Spendenboxen, in die die Kunden ihre Pfandbons werfen und somit spenden können.”
Kaiser’s Kunden sollten diesem Spendenaufruf wirklich sehr gewissenhaft nachkommen. Lassen sie ihre Pfandbons nämlich irgendwo herumliegen und eine Verkäuferin, die eventuell sogar noch in der Gewerkschaft ist, findet zwei davon, so läuft sie Gefahr, das Vertrauen dieser verantwortungsbewussten Firma zu zerrütten und entlassen zu werden.

Dem Discounter Lidl ist “Verantwortung” sogar einen eigenen Reiter auf seiner Homepage wert. – Das signalisiert, dass es sich dabei um einen für den Konzern zentralen Begriff handelt. So zentral wie die anderen, die er HTML-mäßig auf diese Weise darstellt, beispielsweise “billiger”, “Angebote” und “Shop”.

Unter dem Verantwortungsreiter geht es um “3-lagiges Recycling-Toilettenpapier”, “Müllbeutel mit blauem Engel” und die “Arbeitsbedingungen der Menschen”. Ja, der Mensch steht für diesen Konzern wohl wirklich im Mittelpunkt. Oder im Fokus, wie’s in der Filmer-Sprache heißen würde.

Im Webshop übrigens vermisst man ein Angebot, das da noch vor kurzem gestanden hat, diese “Überwachungskamera mit Videospeicher” für nur 99,99 Euro. “Für die Überwachung von privaten Grundstücken und Räumlichkeiten geeignet” hieß es in der Produktbeschreibung.

Vielleicht hat sich diese Kamera ja sogar als für die Überwachung von Personal- und Verkaufsräumen geeignet erwiesen. Möglich, dass der Konzern da Eigenbedarf hatte.

Seltsam: Während man so auf den Wogen der “Corporate Social Responsability” durchs Web surft, geht einem ein Liedlein nicht aus dem Kopf. Es stammt von der Gruppe Ideal. Die neue deutsche Welle hat es 1981 an den Strand gespült.

Darin heißt es: “Ich habe unbändige Lust, fies und gemein zu sein. Es macht mir einen Höllenspaß, so wie ein Schwein zu sein.” – Nein, sowas sollte man eigentlich nicht. Aber lieber so, als zu sein wie all die guten Menschen in den PR-Abteilungen.