Expertin kritisiert Nutzerfreundlichkeit von Windows 8

Der Spagat zwischen zwei Bedienoberflächen bringt Nachteile für die Desktop-Nutzer von Windows 8, bemängelt Usability-Expertin Raluca Budiu. Sie spricht von einer “kognitiven Belastung” und einer “steile Lernkurve”.

Die Usability-Expertin der Nielsen Norman Group und frühere Xerox-PARC-Forscherin bemängelt, dass es zumindest für produktive Aufgaben weniger benutzerfreundlich ist. Neben den zwei Bedienoberflächen seien daran auch verborgene Menüs Schuld.

In einem ausführlichen Interview mit Laptop Magazine, schränkt sie ein, dass ihre Aussagen nicht auf einer umfassenden Studie beruhen. Sie habe aber genug Erfahrungen mit der neuen Version des Betriebssystems gemacht, um diese Feststellungen treffen zu können.

Es gebe zwar Dinge, die mit Windows 8 einfacher von der Hand gingen, beispielse eine News per E-Mail mit Freunden auf Facebook zu teilen. Das sei aber vermutlich nicht das, was die Nutzer mit einem PC besonders häufig erledigen wollen. “Windows 8 ist für den Konsum von Inhalten optimiert und nicht für die Produktion von Inhalten sowie Multitasking”, sagt sie. “Während der Konsum von Inhalten leicht möglich ist mit anderen Medien wie Tablets und Smartphones, passen Produktion und Multitasking besser zu PCs. Windows 8 scheint das zu ignorieren.”

Der erzwungene Wechsel zwischen zwei Oberflächen bringt Budiu zufolge eine “kognitive Belastung” und eine steile Lernkurve mit sich. Die “Dualität von Desktop – Metro” werde wahrscheinlich einige Nutzer verwirren: “Während Windows 8 wichtigen mobilen Designprinzipien folgt – etwa den Inhalten Priorität zu geben -, sind nicht all diese Prinzipien auch gut geeignet für die größeren und nicht auf Touchbedienung ausgelegten Displays der meisten PCs oder Laptops.”

“Viele Apps verschwenden eine Menge Platz für große Bilder und geben dem Text wenig Raum”, stellt die Expertin für Benutzererfahrung fest. “Die Idee, die Steuerelemente zu verbergen, um dem Inhalt Vorrang zu geben, mag auf mobilen Geräten Sinn ergeben, auf denen die Bildschirmfläche so begrenzt ist. Aber es ergibt keinen Sinn auf einem großen Bildschirm, insbesondere wenn Nutzer einen größeren Aufwand haben, um auf verborgene Features zuzugreifen.”

Als nachteilig sieht Budiu, dass die Nutzer mit zwei verschiedenen Benutzeroberflächen arbeiten müssen. Sie müssten Windows 8 lernen, könnten aber Windows 7 nicht vergessen, das im Desktop-Modus erhalten blieb. “Und sie müssen immer darauf achten, welche App zum jeweiligen Framework gehört.”

Als Beispiel geht sie auf die erzwungene Rückkehr zum Startbildschirm ein, wenn eine neue Desktop-Anwendung zu starten ist. So etwas könne auf Mobilgeräten mit kleineren Displays sinnvoll sein, aber nicht auf einem PC: “Es gibt weniger Gründe für eine separate Seite auf einem Desktop – das Startmenü erlaubt eine günstigere Interaktion als die Startseite.”

Sie bemängelt auch die erschwerte Bedienung von Windows 8 mit der Maus, die ein längeres Verweilen in Bildschirmecken verlangt, um an wichtige Menüs zu gelangen: “Verweilen vor der Nutzung eines Menüs verlangsamt die Nutzer, aber das ist nicht das hauptsächliche Problem. Vor allem die Tatsache, dass die Menüs versteckt sind, verlangsamt die Nutzer – denken Sie daran, was man nicht sieht, daran denkt man auch nicht.”

Sie berichtet von Studien mit mobilen Geräten, bei denen die Nielsen Norman Group herausfand, dass außer Sicht befindliche Menüs selbst dann seltener aufgerufen wurden, wenn die Nutzer sie kannten und schon zuvor entdeckt hatten. Die verborgenen Menüs machten “null Angebote” auf dem Desktop, dadurch falle die erstmalige Entdeckung schwer. “Und selbst wenn Sie entdeckt haben, wo zu klicken ist, erfordert es eine ziemliche Übung und fortwährende Nutzung, um sich richtig zu erinnern, welches Menü mit welchem Ort auf dem Bildschirm verbunden ist.”

Solche Aussagen müssen skeptische IT-Entscheider, die über den produktiven Einsatz von Windows 8 für Tausende von Nutzern nachdenken, erst recht beunruhigen. Sie werden sich der Frage stellen müssen, ob die Trainingskosten und ein Verlust an Produktivität nicht über mögliche Einsparungen durch den Einsatz des neuen Betriebssystems hinausgehen.

[mit Material von Adrian Kingsley-Hughes, ZDNet.com]

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