Lithium-Ionen-Batterie vs. Passagierflugzeug

Beinahe wöchentlich kommt es zu Zwischenfällen mit überhitzten Laptop-Akkus. Gemeinsam mit Airbus wollen Fraunhofer-Forschende die Risiken mindern.

Die Zahl der Vorkommnisse mit beschädigten elektronischen Geräten an Bord von Flugzeugen hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Auslöser sind meist Lithium-Ionen-Batterien, die sich in Laptops und anderen tragbaren elektronischen Geräten befinden.

Im Projekt LOKI-PED bewerten das Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, das Ernst-Mach-Institut (EMI) und das Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP) gemeinsam mit Airbus die mit Lithium-Ionen-Akkus verbundenen Risiken von Feuer und Rauch im Cockpit und in der Kabine. Ziel ist es, den Einsatz der portablen Geräte an Bord sicherer zu gestalten. Fraunhofer-Mitarbeiterin Heide Haasdonk zeigt in ihrem Beitrag, wie weit ihre Kollegen dabei bereits gekommen sind:

Risiken

Ein Leben ohne tragbare elektronische Geräte (Portable Electronic Device, PED) ist heutzutage nicht mehr vorstellbar. Ob Smartphone, Laptop, Tablet, Digitalkamera, E-Book-Reader oder Smartwatch: Sie sind unser ständiger Begleiter – auch auf Reisen im Flugzeug.

Doch die Passagiere sind sich der damit verbundenen Risiken nicht immer bewusst: Durch Einklemmen im Sitz oder durch eine Überhitzung beim Laden können sich die Lithium-Ionen-Batterien in den PEDs erwärmen und aufblähen. Im Extremfall treten dabei heiße, toxische und brennbare Gase aus, die die Passagiere und das Flugpersonal gefährden können.

Nach Angaben der Federal Aviation Administration FAA ist es in den vergangenen Jahren vermehrt zu Zwischenfällen in Passagierflugzeugen gekommen – ausgelöst durch Lithium-Ionen-Akkus. Die Behörde geht von 35 bis 50 Fällen pro Jahr aus. So musste am zweiten Weihnachtstag 2022 eine Lufthansa-Maschine außerplanmäßig auf dem O’Hare International Airport in Chicago zwischenlanden, nachdem ein überhitzter Laptop eines Passagiers einen Schwelbrand in der Kabine verursacht hatte.

Tests an Prüfständen und im Fluglabor

Die hohe Zahl der Vorfälle ist alarmierend. Diese lässt sich auch auf die immer höhere Zahl der mitgebrachten PEDs und Lithiumbatterien an Bord zurückführen, zu denen unter anderem auch E-Zigaretten, Powerbanks oder Akkuschrauber zählen. Im Projekt LOKI-PED (Lithium batteries in pOrtable electronic devices – risK of fIre and smoke) untersuchen und bewerten Forschende des Fraunhofer EMI und des Fraunhofer IBP gemeinsam mit Airbus die mit Lithiumbatterien in PEDs verbundenen Risiken von Rauch und Feuer in der Kabine und im Cockpit. Das Vorhaben wird von der Europäischen Agentur für Flugsicherheit EASA gefördert und vom Horizon Europe Programm der Europäischen Union finanziert.

„Eine wissenschaftlich fundierte Risikobewertung ist dringend erforderlich, zumal die Kabinen- und Brandbekämpfungsverfahren seit 2014 nicht verändert wurden. In LOKI-PED prüfen wir, ob Standards aktualisiert und neue Richtlinien und Schutzmaßnahmen zur Risikominimierung etabliert werden müssen“, sagt Projektleiter Simon Holz vom Fraunhofer EMI.

Victor Norrefeldt, Technischer Leiter am Fraunhofer IBP, und seine Forschungsgruppe komplettieren neben den Expertinnen und Experten von Airbus das Projektteam. Die Projektpartner befassen sich mit der Charakterisierung der Hauptgefahren, die von PEDs ausgehen, den Folgen von Feuer und Rauch im Cockpit und in der Kabine, der Risikobewertung hinsichtlich Anzahl und Energiegehalt von PEDs, der Beurteilung von Notfallmaßnahmen, der Bewertung zusätzlicher Gegenmaßnahmen – beispielsweise Belüftung und Schutztaschen – und mit der Identifizierung von Lücken in den regulatorischen Bestimmungen.

Die Konsequenzen von Rauch und Feuer werden an leistungsstarken Prüfständen wie der Flight Test Facility des Fraunhofer IBP sowie dem Batterietestzentrum TEVLIB des Fraunhofer EMI untersucht (Bild). Letztere bietet die Voraussetzungen für die Durchführung von zerstörenden Tests auch an großen Batteriesystemen unter Einhaltung höchster Sicherheitsstandards. Die Experimente dienen als Basis für numerische Simulationen und die anschließende Risikobeurteilung.

Kurzschluss in der Batteriezelle

Im ersten Schritt führten die Forschenden Batterie-Abuse-Tests durch, bei denen die Batterien von Laptops, Tablets, Smartphones und Akkuschraubern erhitzt wurden, um ein sogenanntes »Thermisches Durchgehen« zu provozieren. Darunter versteht man ein Abbrennen der Lithium-Ionen-Batterien, bei dem die gesamte chemische Energie der Zelle innerhalb kurzer Zeit freigesetzt wird.

Durch einen internen Kurzschluss in der Batteriezelle entsteht ein sehr hoher elektrischer Strom, der die Temperatur enorm ansteigen lässt. Beim Erreichen der Onset-Temperatur lässt sich das thermische Durchgehen der Batteriezelle nicht mehr kontrollieren.

„Lithiumbatterien von PEDs enthalten unterschiedliche Typen und Anzahlen von Zellen. Durch die hohe Temperatur kommt es zu einer Kettenreaktion, bei der eine Zelle aufgrund der Hitzeentwicklung die benachbarte Zelle ebenfalls zum thermischen Durchgehen anregt“, erläutert Simon Holz. „Die Menge an freigesetztem Gas ist proportional zur Energiemenge der Batterie.“

Die Charakterisierung der freigesetzten Gase haben die Forschenden noch nicht abgeschlossen. Im nächsten Schritt sind Experimente in realistischen Flugzeugumgebungen mit entsprechender Kabinenbelüftung an einem A320-Mockup und in der Flight Test Facility des Fraunhofer IBP vorgesehen.

Freigesetzte Wärme- und Gasmenge

„Kommt es tatsächlich zu einer Überhitzung eines PEDs, dann hängt die freigesetzte Wärme- und Gasmenge vom Energieinhalt der Batterien ab. Aktuell sind PEDs an Bord auf 100 Wattstunden (Wh) begrenzt. Laptopbatterien dürfen eine Kapazität von 100 Wh nicht übersteigen. Künftig werden Geräte mit einer immer höheren Energiedichte auf den Markt kommen“, erläutert Holz die Problematik. „Ob das 100-Wh-Limit noch ausreicht, überprüfen wir mit unseren Tests, damit Regularien gegebenenfalls angepasst und neue Schutzmaßnahmen installiert werden können. Nach Testabschluss sollen Fluglinien, Aufsichtsbehörden, Kabinenpersonal und Passagiere gleichermaßen von unseren wissenschaftlich basierten Vorschlägen – etwa zu Belüftungskonzepten und zur Zertifizierung geeigneter Sicherheitsausrüstung – profitieren.“

Das Projektteam ist eng mit den Akteuren der Luftfahrtbranche vernetzt, einen Austausch zum thermischen Durchgehen von Batterien in Kabine und Cockpit gab es etwa bei einer Panel-Diskussion auf der IATA World Safety & Operations Conference 2023.

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