Selbstgestricktes Benchmarking am Beispiel der Leica AG

Eine unabhängige Instanz, um die Effizienz und Leistungsfähigkeit der IT-Abteilung zu beurteilen, ist nicht immer notwendig.

Alle großen Beratungshäuser bieten IT-Benchmarks an. Diese sind aber teuer, die Herkunft des Zahlenmaterials mitunter ungewiss. Eine Alternative ist ein selbst initiiertes Benchmarking. Der CIO von Leica kann den Weg nur wärmstens empfehlen.

“Unsere IT-Kosten sind viel zu hoch”, wurde Reiner Bierwirt, CIO der Leica Camera AG, immer wieder von der Geschäftsleitung vorgeworfen. Ein Vorwurf, mit dem auch so manch anderer IT-Verantwortlicher konfrontiert wird, meist ohne eine passende Antwort zu haben. Um Kosten einzusparen wurde Bierwirt vorgeschlagen, die Hälfte der Anwendungen einfach abzuschalten. Die brauche man sowieso nicht, war die Begründung. Leica steht unter starkem finanziellen Druck. Im abgelaufenen Geschäftsjahr (31.03.2005) hat das Unternehmen einen Verlust von 15,5 Millionen Euro ausgewiesen. Da wird gespart, wo immer es geht – und das nicht nur seit Ende März. Auch damit steht Leica sicher nicht alleine da.

Bierwirt suchte nach Antworten auf die Vorwürfe. Ein Benchmark sollte der Geschäftsleitung zeigen, wie das Unternehmen im Vergleich zu anderen steht. “Man muss einen Anbieter finden, der die Branche und das Geschäft des Auftraggebers kennt”, rät Martin Herrmann, Spezialist des Internationalen Controller Vereins. Alle großen Anbieter wie Gartner und die Meta Group würden das von sich behaupten. Kleine oder mittlere Benchmark-Anbieter hat er bislang noch nicht entdeckt.

“Wir verwenden ausschließlich Zahlenmaterial, das wir selbst erhoben haben”, verspricht Jörg Hild, bei Compass Deutschland für den Bereich Consulting zuständig. Das Beratungshaus benennt Referenzen namentlich, vergleicht diese allerdings nur mit dem Mittelwert, um die Anonymität der Einzelunternehmen sicherzustellen. Compass stellt Produktivitäten, Qualitäten und Kostenstrukturen von IT-Aufgaben gegenüber. Der reine Zahlenvergleich sei Grundlage für den Beratungsansatz.

Das alles kostet Geld, was Bierwirt nicht ausgeben wollte und auch nicht konnte. Teilweise glaubte er auch nicht daran, dass die Vergleichbarkeit anonymisierter Zahlen mit dem eigenen Unternehmen unbedingt gegeben sei. So führte ihn eine Spur im Internet auf das Projekt IT-21, eine kostenfreie Studie von IBM. Daran nahm er teil. Zwei Mitarbeiter von Big Blue kamen in den Hauptsitz von Leica nach Solms und führten Interviews mit dem CIO wie auch einigen Vorstandsmitgliedern. Nach der Auswertung präsentierten die IBM-Mitarbeiter der Geschäftsleitung und Bierwirt das zentrale Ergebnis: Leica könnte besser sein, wenn das Unternehmen mehr IT einsetzen würde.

Begründet wurde die Aussage damit, dass die internen Prozesse nicht durch die IT unterstützt würden. Die Geschäftsleitung von Leica wertete die Präsentation als Tiefschlag und Bierwirt war mit seinem Aufgabenbereich noch schlechter angesehen als zuvor. Doch er gab seine Benchmark-Idee nicht auf und suchte im Umkreis von Solms Firmen derselben Größe wie Leica, die bereit wären, Kennzahlen mit ihm zu vergleichen. Bierwirt war überrascht, wie offen seine CIO-Kollegen darauf reagierten, wohl auch aus Eigeninteresse. Er bekam Zahlen über Umsatz, IT-Budgets, Ausgaben für externe Dienstleister, Anzahl und Aufgaben der IT-Mitarbeiter sowie Hardware- und Software-Ausstattung.

“Ich erlebe in der Praxis oft, dass sich mittelständische Firmen aus der Not heraus zusammenschließen, wie sie kein geeignetes Material finden, um IT-Kostenstrukturen in Relationen zu setzen”, stellt Martin Herrmann fest. Entscheidend dabei sei, dass die Leistung vergleichbar definiert werde, die Analyse transparent sei und Vertraulichkeit nicht nur zugesichert sondern auch eingehalten würde.