Die Zukunft von HR: KI-basiertes Skill Management

Traditionelle Wege des Kompetenzmanagements stoßen an ihre Grenzen, sagt Thorsten Rusch von Cornerstone.

Der Wunsch nach Selbstbestimmung, Flexibilität und persönlichem Wachstum lässt Arbeitnehmende nach neuen beruflichen Perspektiven suchen. Eine globale Studie von Cornerstone hat ergeben, dass fast die Hälfte der Arbeitnehmenden das Gefühl hat, dass ihre Arbeitgebenden sie im Stich lassen, wenn es darum geht, die für die Zukunft notwendigen Kompetenzen zu entwickeln.

Die Folgen, zum Beispiel hohe Fluktuationsraten, sind spürbar und es wird immer deutlicher, dass Skill- und Kompetenzmanagement zu einem brennenden Thema für das Personalmanagement geworden ist. Bisher war das Hauptproblem die mangelnde Skalierbarkeit traditioneller Ansätze im Kompetenzmanagement. Moderne Technologien wie KI können helfen, diese Herausforderung zu meistern und HR sowie Learning & Development fit für die Zukunft der Kompetenzentwicklung zu machen.

Vom Soll zum Ist: Der aufwendige Ansatz des traditionellen Kompetenzmodells

Bei der Entwicklung eines traditionellen Kompetenzmodells wird in einem ersten Schritt eine detaillierte Beschreibung der erforderlichen Kompetenzen vorgenommen, die durch konkrete Verhaltensanker unterstützt wird. Diese Kompetenzmodelle werden dann mit spezifischen Positionen verknüpft, wobei auf der Basis der definierten Zielausprägungen das gewünschte Profil (Soll-Profil) erstellt wird. Das tatsächliche Profil (Ist-Profil) wird in den anschließenden Performance Reviews, Kompetenz-Assessments oder 180°/360°-Feedback-Prozessen erhoben. Auf Basis dieser Analyse werden Kompetenzlücken ermittelt, die wiederum die Grundlage für gezielte Entwicklungsmaßnahmen bilden.

Dieser Prozess bedeutete für die Personalabteilung einen sehr hohen organisatorischen Aufwand, insbesondere, weil Kompetenzmodelle bisher vor allem manuell erstellt und aktualisiert wurden. Da diese spezifischen Modelle aufgrund des hohen manuellen und zeitlichen Aufwands oft nur für das Top-Management oder einige Schlüsselpositionen erstellt wurden, war die Skalierbarkeit ein Problem. Unternehmen, die ein Kompetenzmodell für alle Mitarbeitenden erstellen wollten, orientierten sich meist an vorhandenen Unternehmensdaten, wodurch das Kompetenzmodell auf einer starken Verallgemeinerung und nicht auf den personalisierten Bedürfnissen der Mitarbeitenden basierte.

KI erleichtert die Erstellung von Kompetenzprofilen

Auch das Kompetenzmanagement hat sich durch technologische Innovationen, insbesondere im Bereich KI, stark verändert. Digitale Plattformen und Tools revolutionieren die Identifizierung, Bewertung und Entwicklung von Kompetenzen.

Ein Beispiel ist der KI-basierte „Cornerstone Skills Graph“, der über 250.000 Kompetenzen aus verschiedenen Quellen analysiert und bewertet hat. Diese wurden durch einen mehrstufigen Prozess bewertet, in ein Verhältnis gesetzt und durch Data Scientists überprüft, so dass der Skills Graph nun rund 50.000 überprüfte und interlinguale Skills enthält. Mit dieser soliden Datenbasis war zudem die Berechnung von Korrelationen zwischen verschiedenen Kompetenzen möglich. So ist es beispielsweise wahrscheinlich, dass Mitarbeitende, die sehr gut mit Microsoft Outlook umgehen können, auch gut mit Microsoft Word vertraut sind.

Mit Hilfe des KI-Modells ist es auch möglich, anhand eines Jobtitels zu identifizieren, welche Skills für diesen Job erforderlich sind. Durch das Hinzufügen weiterer relevanter Daten, wie z. B. einer Stellenbeschreibung oder eines Lebenslaufs, werden die Ergebnisse der Skill-Analyse noch wesentlich präziser und aussagekräftiger. Dadurch ist das KI-Modell weitaus skalierbarer und ermöglicht es der Personalabteilung, eine individuell auf die Mitarbeitenden zugeschnittene Talentstrategie zu entwickeln – für alle Mitarbeitenden, nicht nur für Führungspositionen.

Traditionelle Kompetenzmodelle im Vergleich zu KI-basiertem Skills-Management

Beim Vergleich von traditionellen und KI-basierten Kompetenzmodellen werden die unterschiedlichen Stärken und Schwächen beider Ansätze deutlich. Traditionelle Modelle zeichnen sich durch eine hohe Genauigkeit aus, da sie auf detaillierten Beschreibungen und Verhaltensankern basieren, die spezifisch auf bestimmte Positionen zugeschnitten sind. Dies führt jedoch zu einem hohen manuellen Aufwand in der Erstellung und Wartung, was insbesondere für Personalabteilungen eine organisatorische Herausforderung darstellt. Die Skalierbarkeit dieser Modelle ist begrenzt, da sie oft nur für Schlüsselpositionen oder das Top-Management entwickelt werden.

Auf der anderen Seite zeigen KI-basierte Modelle in der Anfangsphase möglicherweise nicht die gleiche Präzision wie traditionelle Ansätze. Doch mit der Zeit und durch die Analyse großer Datenmengen werden sie genauer und lernen, relevante Skills effektiver zu identifizieren. Ihre wahre Stärke liegt in der Skalierbarkeit: KI-Modelle können schnell und effizient auf eine große Anzahl von Mitarbeitenden angewendet werden. Sie ermöglichen es, Kompetenzprofile dynamisch und kontinuierlich zu aktualisieren und anzupassen, wodurch eine viel breitere und flexiblere Anwendung als bei traditionellen Methoden erreicht wird.

Der Aufwand und die Wartung sind bei traditionellen Modellen höher, was ihre Skalierbarkeit limitiert. KI-basierte Ansätze hingegen zeigen ein umgekehrtes Profil: Zunächst weniger genau, verbessern sie sich mit der Zeit und übertreffen traditionelle Modelle in der Skalierbarkeit deutlich. Dies spiegelt die Fähigkeit der KI wider, sich an eine Vielzahl von Situationen anzupassen und so ein breiteres Spektrum an Kompetenzen in verschiedenen Bereichen des Unternehmens zu unterstützen.

Konkrete Anwendungsfälle: Relevante Skills für personalisierte Lernerfahrung

Auch bei Schulungsinhalten zeigt sich die Effizienz der automatisierten Skill-Erkennung durch KI. KI ist nicht nur in der Lage, die vorhandenen Kompetenzen der Mitarbeitenden zu erkennen, sondern kann auch die Entwicklung neuer Fähigkeiten durch Training und Lerninhalte unterstützen. Eine entscheidende Rolle spielen dabei der Titel der Schulung und die Metadaten. Auf Basis dieser Informationen ist die KI in der Lage, gezielte Schulungen zum Schließen von Skill-Gaps vorzuschlagen.

Das zuvor identifizierte Schlüsselproblem der Skalierbarkeit kann mit Hilfe von KI-basierter Technologie erfolgreich gelöst werden. Die automatisierte Skill-Erkennung kann unmittelbar für eine unbegrenzte Menge von Mitarbeitenden durchgeführt werden.

Ein dynamischeres Kompetenzmanagement

KI verändert nicht nur Prozesse, sondern ist auch eine wichtige Triebkraft für die Entwicklung von Arbeitsplätzen in vielen Branchen. Laut einer Studie des Weltwirtschaftsforums wird erwartet, dass der technische Fortschritt und der verstärkte digitale Zugang in mehr als der Hälfte der befragten Unternehmen zu einem Stellenzuwachs führen wird, während in einem Fünftel der Unternehmen ein Stellenabbau erwartet wird.

Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz zur Steuerung des Skill Managements können Unternehmen Jobrollen dynamischer definieren und neu festlegen, wenn sich diese weiterentwickeln und an die Marktbewegungen anpassen. Die traditionelle und langwierige Methode ist für viele Unternehmen, die eine flexiblere Belegschaft benötigen, nicht mehr praktikabel. Skills Intelligence wird für die Business Intelligence immer wichtiger, zumal mehr als die Hälfte der Unternehmensleiter den Fachkräftemangel als ihre derzeit größte Herausforderung nennen.

Der Schlüssel für neue Karriereoptionen

Die Arbeitnehmenden von heute wollen neue Karrierewege und -möglichkeiten. Nur wenn sie wissen, welche Kompetenzen sie haben und was sie noch lernen müssen, können sie den nächsten beruflichen Schritt ins Auge fassen. Laut der Studie „Talentförderung im Fachkräftemangel“ „Talentförderung im Fachkräftemangel“von Cornerstone und F.A.Z. Business Media Research glauben fast die Hälfte der befragten Führungskräfte in Deutschland, dass Mitarbeitende ihr Unternehmen aufgrund mangelnder Karrieremöglichkeiten verlassen haben. Mit Hilfe von KI und Skill Intelligence können Unternehmen ihren Mitarbeitenden verschiedene Optionen aufzeigen, z. B. einen Wechsel in eine andere Abteilung, in der sich die Kompetenzen ergänzen, oder die Integration in ein anderes Team. Die überholte Idee, ausschließlich die vertikale Karriereleiter zu erklimmen, ist keine starke Strategie für Talentmanagement und Skill Development mehr.

Letztlich sind die Bedürfnisse jedes Unternehmens unterschiedlich, daher ist es wichtig, das Ziel zu definieren und dann rückwärts einzelne Schritte zu erarbeiten. Es ist auch wichtig zu bestimmen, wie ein KI-basierter Ansatz für das Kompetenzmanagement übernommen werden kann und wie er auf die aktuelle Unternehmenskultur zugeschnitten werden muss. Nur so kann sichergestellt werden, dass es von der Belegschaft vollständig angenommen wird und den Wert steigert.

Skalierbarkeit und Transparenz

Die technologischen Fortschritte im Kompetenzmanagement, insbesondere durch KI, eröffnen der Personalabteilung völlig neue Perspektiven und schaffen einen erheblichen Mehrwert. Doch es besteht noch Lernbedarf. 44 Prozent der HR-Führungskräfte kennen die möglichen Anwendungen von KI und deren Vorteile nicht.

Auf Unternehmensebene spiegeln sich dieser Mehrwert in Skalierbarkeit, Transparenz und einem klaren Verständnis der im gesamten Unternehmen vorhandenen Kompetenzen wider. Für die Mitarbeitenden sind Personalisierung, gezielte Entwicklung und Transparenz nur einige der zahlreichen Vorteile.

KI-gestütztes Skill Management hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt, und Innovationen werden zweifellos weiteres Potenzial freisetzen. Diese Technologien bilden die Basis für eine vielversprechende Zukunft, in der die Synergie zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden durch fortschrittliches Skill Management auf eine neue Ebene gehoben wird.

 

Thorsten Rusch

ist Director Solution Consulting DACH, Nordics & Eastern Europe bei Cornerstone OnDemand.

 

 

 

 

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