Vista floppt – Microsoft was nun?

Microsoft-CEO Steve Ballmer kommt in Erklärungsnöte: Eine neue Strategie soll die historisch hohen Wachstumsraten des Konzerns auch in Zukunft sichern. Erklärtes Ziel: Consumer-Elektronik und die Herrschaft übers Internet.

Mit ein wenig Hilfe von Freunden könnte dies sogar gelingen. Als erster Freund sprang Firmengründer Bill Gates in die Bresche. Dieser hatte die Analysten bereits mit einer eigenen Keynote auf die Worte Ballmers eingestimmt. In seinem Vortrag erklärte Gates, dass Microsoft ein Internet Services Research Center genanntes Zentrum eröffnen werde. Dieses soll sich ausschließlich mit Online-Werbung und -Suche befassen. Unter der Leitung von Harry Shum konzentriere sich die Arbeit des Zentrums ganz auf Suchrelevanz, Spam-Vorbeugung und die Ausschau nach gescannten – und damit möglicherweise gestohlenen beziehungsweise unrechtmäßig verwerteten – Bildern. Nebenbei sei erwähnt, dass Bill Gates Eigentümer von Corbis ist, der größten Bildagentur der Welt.
 
Ballmer nahm die Steilvorlage seines Schulfreundes Gates auf und eröffnete den Analysten, Microsoft müsse sich vorrangig auf Online-Dienste – insbesondere werbefinanzierten Web-Angebote – und Verbrauchergeräte konzentrieren. Nur mit hohen Investitionen in diese bis dato unprofitablen Bereiche könne man auch zukünftiges Wachstum sichern. Als Beleg für diese These führte er Microsofts mehrjähriges Engagement in Serversoftware für Unternehmensrechenzentren an. Dieses habe das Spektrum des Unternehmens erweitert und die Grundlage für Einnahmen in Höhe von mehreren Milliarden Dollar geschaffen. “Wir bringen dieselbe Mixtur aus Vision und Hartnäckigkeit, die in unseren DNA (Distributed Internet Applications) steckt – die uns ja ins Unternehmensgeschäft gebracht haben -, in die Bereiche Verbrauchergeräte und Online-Dienste”, so Ballmer. “Wir werden eine Werbeagentur sein und ein Gerätehersteller.”
 
Ballmer führte weiter aus, dass bis zum Ende des Steuerjahres 2008 Windows auf über einer Milliarde PCs installiert sein werde. Von diesen PCs aus werde Microsoft nun endgültig den erfolgreichen Sprung ins Internet schaffen. Dazu müsse man aber zusätzlich die Webentwickler und -designer umwerben. Dazu hat Microsoft gerade den Silverlight 1.0 Release Candidate veröffentlicht. Silverlight kann aus dem Netz heruntergeladen werden und ist ein Programm, mit dem Medieninhalte und interaktive Inhalte auf Webseiten angezeigt werden. Es ist als Konkurrenz zu Flash und anderen Plugins aufgestellt, die auf Websites für Interaktivität sorgen. Das Ganze ist Teil eines bei CNET als ‘Cloud OS’ gehandelten Projektes. Microsoft selbst hört diesen Begriff nicht gerne. Doch er umschreibt das Projekt gut, da viele kleine Dienste als eine Art webbasierte Wolke um die Kerndienste herum angelegt sind. Gestützt auf eine flächendeckende Diffusion von Breitband-Anschlüssen sollen dabei Ressourcen, die sich normalerweise auf einem einzelnen Rechner befinden – etwa der Speicher – in die Internet-Wolke verlegt werden.
 
Wie diese Wolke aussieht, hat Ballmer auf der Worldwide Partner Conference ausgeführt. Noch befinde sich das Unternehmen in der Frühphase der Umsetzung seines Plans, mittel- und langfristig allerdings sollen praktisch alle Internet-Basisdienste des Unternehmens für Entwickler verfügbar gemacht werden. Im Rahmen seiner Rede versprach Ballmer, dass sein Unternehmen noch in diesem Jahr Programmierern die erste Version seiner Entwicklungsplattform offerieren werde. Teile der Plattform sind bereits als Betaversion erhältlich. Man plane zudem, einen großen Teil der Technologie hinter Windows Live und der zugrunde liegenden Infrastruktur offenzulegen. “Wir geben euch, was wir haben”, sprang Brian Hall, General Manager von Windows Live, auf der Partner Conference seinem Chef bei. Die Entwickler müssen auf Basis der Plattform Code erzeugen können, bei dem es egal ist, ob man mit einem Telefon oder einem PC auf den Dienst zugreift. Auch sollte egal sein, ob eine Datei lokal gespeichert ist oder sich in der Internet-Wolke befindet. “Es ist eine echte Herausforderung für die Informatik. Man muss für all das die richtigen Abstraktionen finden und abstrakt formulieren, wie Geräte lokalisiert und verwaltet werden. Das ganze soll zugleich für den Entwickler transparent bleiben”, sagte Hall.
 
Hall zog einen Vergleich mit den frühen Tagen von Windows: “Ein großer Teil der Aufgaben von Windows bestand schon in frühen Phasen in der Speicherverwaltung, der Ablage, und anderen Dingen, die wir heute als selbstverständlich hinnehmen”, sagte Hall. “Der weitaus größte Teil der Entwickler denkt (heute) nicht ‘Wie werde ich diese Daten hier im Speicher unterbringen?’. Es geschieht einfach. Dasselbe wird auch beim Mesh-Modell der Fall sein.”
 
Diese ambitionierte Zusage kommt eineinhalb Jahre, nachdem Bill Gates im Rahmen einer Veranstaltung in San Francisco im November 2005 die Pläne des Unternehmens für Windows Live erstmals bekannt gegeben hatte. Seit damals arbeiten Chief Software Architect Ray Ozzie und ein Team daran, Microsofts internetorientierte Geschäftsteile zusammenzuführen. Aus einer Reihe direkt von Microsoft angebotener Einzeldienste soll ein einziger Satz einheitlicherer Dienste entstehen, die entweder über Microsoft oder über Partnerunternehmen distribuiert werden.

Im Rahmen der Mix ’07-Ausstellung erklärte der für die Live-Strategie verantwortliche Ozzie, den Programmierern Zugang zu einigen der übergeordneten Dienste gewähren zu wollen, etwa zu Windows Live Spaces. Hinsichtlich der zugrunde liegenden Entwicklerplattform schwieg er jedoch weitgehend. “Zurzeit habe ich in dieser Hinsicht keine Ankündigungen”, teilte Ozzie mit. “Aber es ist ja recht offensichtlich, dass wir an etwas arbeiten.”