“Investitionsschutz bei mittelständischen Lösungen höher”

Ein Gespräch mit dem Vorstand des VDEB bringt überraschende Aspekte über den anbietenden IT-Mittelstand auf. Dr. Oliver Grün, ist seit 1998 Vorstandsvorsitzender des Verbandes IT-Mittelstand e.V. sowie Vorstand des Spezialisten für Spenden-Software GRÜN Software AG. Im silicon.de-Interview räumt der Ingenieur und begeisterte Segler mit einigen Vorurteilen über mittelständische Software auf.

silicon.de: Sind es vor allem Nischen, oder liegt der Vorteil vor allem darin, dass man sich auf Augenhöhe unterhält.

Grün: Beides zusammen. Die Nische spielt natürlich eine große Rolle. Und genau das versuchen ja die großen Unternehmen abzufedern, indem sie über mittelständische Partner in den Markt gehen. Aber es ist immer unheimlich wichtig, das entsprechende Branchen-Know-how zu haben. Es geht hier natürlich auch um weiche Faktoren. Es gibt überdies mittelständische ERP-Lösungen, die den Funktionalitäten der großen nicht unbedingt nachstehen.

silicon.de: Glauben Sie auch, dass der IT-Mittelstand preislich näher am Mittelstand ist.

Grün: Nicht unbedingt, Lösungen vom IT-Mittelstand kosten auch ihr Geld. Insbesondere SAP hat zuvor den Ruf sehr teuer zu sein, aber auch das ist nicht mehr zutreffend. Aber es gibt so viele Facetten von SAP, dass man ein Business-One-Projekt bereits ab 10.000 Euro bekommt. Also der Preis ist nicht der entscheidende Faktor.

silicon.de: Anderes Thema. Die Regierung kokettiert gerne mit dem Mittelstand und erklärt, wie wichtig der Mittelstand für Deutschland ist. Kommen die Förderprogramme und Hilfspakete die für den Mittelstand vorgesehen sind auch tatsächlich da an, wo sie gebraucht werden?

Grün: Wir haben guten Zulauf zu Veranstaltungen für Mittelstandsförderung, weil gerade das ein Thema ist, das den Nerv der Mittelständler trifft. Und es ist auf Dauer schlichtweg gefährlich sich nur um sein Tagesgeschäft zu kümmern und die Investitionen in Entwicklung zu vernachlässigen.

silicon.de: Warum?

Grün: Weil dann die Regierung 500 Millionen Euro Zuschüsse gibt, die dann am Ende wieder bei den Konzernen landen, obwohl vielleicht Mittelstand draufsteht. Das ist eigentlich das Drama, weil der Mittelstand eben sagt, bei solchen bürokratischen Hürden alleine in der Ausgangsstellung lässt man den Versuch, Fördergelder zu bekommen. Aber auf der anderen Seite ist es grob fahrlässig, wenn man hinterher wirklich die Marktanteile an die IT-Industrie verliert. Und das geschieht natürlich auch gerne durch falsche personelle Besetzungen von Gremien und Ausschüssen. Der Bitkom etwa ist einfach kein Mittelstand und auch daher ist es wichtig, sich als anbietender Mittelstand zusammenzuschließen.

silicon.de: Macht die Regierung – von eventuell fehlgeleiteten Fördermaßnahmen einmal abgesehen – denn eine mittelstandsfreundliche Politik?

Grün: Wir wollen an einer Entwicklung mitwirken, das duale Ausbildungssystem in Deutschland vorwärts zu bringen. Es geht darum, dass gerade uns als Mittelständler natürlich die Kräfte fehlen. Das was aber von der Politik kommt, dass nutzt uns nur bedingt. Gerade die erneute Greencard-Initiative, über welche sehr teure Kräfte, die 80.000 Euro und mehr verdienen, gefördert werden, nutzt uns nur wenig. 80.000 Euro verdient vielleicht ein Geschäftsführer eines kleineren mittelständischen Softwarehauses und so jemand stellt keine Programmierer ein, die solche Gelder verdienen. Daher ist es für uns so wichtig, selbst Kräfte auszubilden aber auch eben über das duale Studiensystem weiterentwickeln zu können.

silicon.de: Wie würden sie denn die Ausbildungssituation im Mittelstand derzeit bewerten?

Grün: Der anbietende IT-Mittelstand macht derzeit 42 Prozent des Umsatzes stellt jedoch 82 Prozent der Ausbildungsplätze. Und so kommt es eben, dass der Mittelstand sich viele Kräfte selber heranzieht, beispielsweise durch die Ausbildung von Fachinformatikern. Und es ist dann auch wiederum sehr deutsch und das werden sie in anderen Ländern kaum finden, dass man zunächst eine Berufsausbildung macht und dann nicht weiter kommt. Man läuft sozusagen unter die Decke, weil es einfach kein offenes Bildungssystem gibt, keine Hochschule erkennt etwa Leistungen aus einer abgeschlossenen Ausbildung als Fachinformatiker als Credits an, um einen verkürzten Abschluss zum Bachelor zu erreichen. Auch hier wollen wir als Verband mitwirken und für Verbesserungen sorgen.

silicon.de: Vielen Dank für das Gespräch.